Mittwoch, 26. Oktober 2016

Alpin Journal: Vom richtigen Timing in den Bergen

Alpin Journal: Vom richtigen Timing in den Bergen: Vom richtigen Timing in den Bergen Der Spätherbst ist eingekehrt in unseren Bergen, das Laub  hat sich verfärbt, oben liegt schon Schnee ...

Vom richtigen Timing in den Bergen

Vom richtigen Timing in den Bergen

Der Spätherbst ist eingekehrt in unseren Bergen, das Laub  hat sich verfärbt, oben liegt schon Schnee und schön langsam wird es von Tag zu Tag kälter in der Früh.
herbstlicher Berglauf zum Hinteren Gosausee

Zeit sich etwas zurück zu lehnen und auszurasten. Jeder Profisportler schaut, dass er im Jahreszyklus seine Regenerationszeit einhält. Ist eh klar, der Körper ist ja schließlich keine Maschine. Vor allem wenn man über Jahre oder gar schon Jahrzehnte regelmäßig unterwegs ist, sollte es eigentlich klar sein, sich bzw. seinem Körper eine ruhige Zeit zu gönnen. Zeit kleine Wehwehchen auszuheilen, eventuell sogar etwas Speck anzusetzen und langsam aber sicher wieder so richtig Motivation für die nächste Saison zu tanken. Für mich hat es sich bewährt, nach einer "ruhigeren Zeit" langsam mit Regenerationstraining zu beginnen und mich auf den Winter vor zu bereiten, sowohl körperlich als auch mental. Klar hier geht es um Bergsteigen  und eindeutig nicht um Skirennen oder Skitouren Rennläufer. Diese müssen sich einer anderen Jahresplanung unterwerfen und trainieren auch mit Profi Trainern.
Liegt es daran, dass ich schön langsam älter werde? - Oder haben die "sozialen Medien" a la Fb wirklich so einen eklatanten Einfluss auf unsere Gesellschaft, wie uns das von den Massenmedien immer wieder suggeriert wird? Jedenfalls hab ich den Eindruck, dass nicht nur "Weihnachten" immer früher in den Geschäften einzug hält, sondern dass auch unter uns Bergsteigern so manche sich immer eigenartiger benehmen. Fast ist man geneigt zu glauben, es geht nur noch darum, wer noch früher eine noch größere Skitour gemacht hat, wer am besten mitten in der Sommerhitze eine schwierige Eistour unternommen hat, inklusive Teletubie Filmchen und natürlich auf sämtlichen Kanälen gepostet.

Vorderer Gosausee, frischer Neuschnee im Hochgebirge

Wo bleibt der Hausverstand, die Eigenverantwortung? Wo das richtige Gspür dafür, welche Tour man wann am besten, also bei relativ sicheren Verhältnissen machen kann? Jetzt, mitten im Herbst, wo die Gletscher völlig blank und schneefrei geworden sind im vergangenen Sommer, und gerade die ersten kalten Pulverschneeschichten vom Wind über die Spalten gefegt wurden, fangen viele schon an mit ihren Skiern im Hochgebirge herumzurennen. Offenbar hat niemand von ihnen Angst in einer Gletscherspalte auf nimmer Wiedersehen zu verschwinden, oder gar von einer Grundlawine aus noch nicht "gesetztem" Schnee und bis zum blanken Grundeis, als perfekt rutschiger Gleitfläche, verschüttet zu werden.

Ich möchte hier eine Lanze brechen, eine Lanze für angepasste Tourenplanung.

Ist es wirklich so, dass kaum hat jemand von seiner ersten Skitour oder Eistour gepostet, -  "ich war erster!" -  andere ihre Skier schnappen und hinterher hecheln? Ist es wirklich so, dass viele Bergsteiger anstatt ihre Nase in die Natur halten, Informationen über die tatsächlichen Verhältnisse aufnehmen und Überlegen auf welchen Gipfel man als nächstes stehen will, ihr Tourenziel ohne nachdenken nach den Postings anderer auswählen?
Ich kann es nicht glauben, aber zumindest ein Teil unter uns Bergsteigern scheint in so einem Stil unterwegs zu sein. 

Es sollte doch jedem klar sein, dass nicht jener Bergsteiger der beste ist, der am frühesten im Jahr mit seinen Touren beginnt bzw. am meisten Touren am Ende der Saison gesammelt hat, sondern jener, der den jeweiligen Verhältnissen angpaßt und vor allem defensiv unterwegs ist.

Dienstag, 9. August 2016

Das liebe Geld und die Grenzen der Bergkameradschaft, "Double 8" Drama am Shisha Pangma


Vor rund zwei Jahren planten vier Bergsteiger eine Expedition der Superlative: Bei "Double 8" war es das Ziel zwei Achttausender innerhalb einer Woche by fair means, also mit Schiern und Moutainbike zu besteigen. Die beiden Achttausender Shisha Pangma und Cho Oyu werden öfters im Zuge einer einzigen Expedition hintereinander bestiegen, da sie relativ knapp beieinander liegen und logistisch einfach erreichbar sind. In der tibetischen Hochebene sind die beiden Basislager fast mit dem Jeep erreichbar, normalerweise allerdings nicht in einer derart knappen Zeitspanne.



Jasemba und Shisha Pangma vom L 3 am Cho Oyu (ca. 7400m)



Die Double 8 Expedition war riesig vermarktet, zeitgemäß mit Internet und "Echtzeit updates". Leider vereitelte das schlechte Wetter den planmäßigen Fortgang der Expedition, so endete ein erster Versuch im tiefen Neuschnee. Naturgemäß erzeugte diese Situation einen enormen selbst auferlegten Druck an die Expeditionsleitung bzw. die Vermarktungsmanager.

Natürlich ist man heutzutage auf kaum einem Berg am Normalweg alleine. So auch in jenem Herbst am Shisha Pangma. Mit am Berg war der Schweizer Profi Bergsteiger Ueli Steck, einer breiten Öffentlichkeit bekannt durch seine zahlreichen Speedrekorde durch Eiger- und Matterhorn Nordwand.

Durch mir nicht näher bekannte Umstände beschloss man im "Double 8 Team" nach dem mißglückten Versuch, den Schweizer Profi Steck ins Team zu holen. Dieser war eigentlich mit seiner Frau zu einer privaten Besteigung in Tibet, entschloss sich aber aufgrund der prekären Schneesituation auf eine "private Besteigung" mit seiner Frau zu verzichten. Statt dessen schloß er sich dem Team um die riesig vermarktete "Double 8" Expedition an. Irgendwie von außen betrachtet eine komische Entscheidung: war es nun aufgrund der Schneelage zu gefährlich, oder doch vertretbar einen Versuch zu wagen?

der Cho Oyu von Tibet
Jedenfalls beschlossen die nun fünf Bergsteiger einen zweiten Gipfelversuch. In der extremen Höhe von 7900 m, nur rund 100 m unter dem Gipfel kam es zur Tragödie. Eine riesige Lawine löste sich und riss drei der fünf Bergsteiger mit sich. Geschockt stiegen Steck und ein verbliebenes Mitglied der "Double 8" Mannschaft in tiefere Lager ab. Obwohl sie anscheinend auf dem Lawinenkegel einen leblos daliegenden Körper erkennen konnten, die anderen zwei aus dem Team waren offensichtlich total verschüttet.

Nach mehreren Stunden wachte der auf der Oberfläche des Lawinenkegels liegende Bergsteiger aus seiner Bewußtlosigkeit auf und schleppte sich schwer verletzt in das teilweise zerstörte oberste Lager. Später wurde er durch einen aufsteigenden Sherpa gerettet. Jetzt, nahezu zwei Jahre später erhebt er nun schwere Vorwürfe gegen seine Bergkameraden, dass sie ihn im Stich gelassen hätten.

technisch einfaches Gelände, aber extreme Höhe

Wie soll man sich nun als Aussenstehender zu den öffentlich in einem deutschen Hochglanz Bergmagazin geäußerten Vorwürfen eine Meinung bilden? Selbstverständlich ist es wichtig, Berichte von allen Seiten zu so einem Vorwurf zu lesen.

Klar ist für mich jedenfalls, dass es ein großes Problem darstellt, vor Ort ein eingespieltes Team zu verändern. Nur am Papier ändert sich nämlich dadurch lediglich die Anzahl der Teamteilnehmer. In Wirklichkeit verändert sich - vor allem durch Herinnahme eines "Ausnahme Athleten" bzw. "Stars" wie Steck - natürlich die Gruppendynamik völlig.  Aus einem eingespielten 2 x 2 Team wird durch eine ungerade Zahl plötzlich einer ein "drittes Rad am Wagen". Auch die athletischen Fähigkeiten bzw. die Risikotoleranz und Erfahrung sind nicht zu verachten bei der neuen Rollenverteilung im Team. Und das wirkt sich dann enorm auf die laufenden Entscheidungsprozesse am Berg aus.

Selbstverständlich ist bei so einer großen Tour allen Teilnehmern das Risiko bewußt und von vornherein klar, dass so was nicht ungefährlich ist.

Glück und Freude auf rund 7400 m

Ich war selber einige Male, auch bei großen Achttausender Expeditionen, mit ähnlichen elementaren Lawinen- und Gefahrensituationen konfrontiert. Selbstverständlich ist man selbst als abgebrühter Profibergsteiger nicht immun gegen einen solchen "Todesstress" und handelt oft nur noch instinktiv.

Ich finde die Darstellung von Ueli Steck auf seiner webseite

http://www.uelisteck.ch/de/item/59-grundsaetze-und-selbstverantwortung.html

zu dem Vorfall als grundehrlich und nachvollziehbar.

Auf der anderen Seite kann ich mich auch sehr gut in die Rolle von Martin Maier hinein versetzen, wenn ich mir vorstelle, wie sich die Gruppendynamik durch die Hereinnahme von Steck ins Team verändert haben muss. Trotzdem wirkt für mich die öffentliche Konfrontation über Medien mit seinen Teamkollegen irgendwie befremdend.


 http://bergsteiger.de/bergszene/interviews/martin-maier-vieles-ist-schlicht-gelogen

Übrig bleibt einfach ein schaler Nachgeschmack für alle Beteiligten. Hat das viele Geld (= riesige Vermarktung der Fa. Dynafit) für die Bergsteiger zu viel Stress verursacht? Hat die Vermarktung eventuell wichtige Entscheidungen beeinflußt? Oder war die Situation derart gefährlich, dass jeder nur noch seine eigene Haut retten wollte? Fest steht, dass man durch große Vermarktung hoch hinaus kommen kann, aber auch sehr tief fallen kann. Das Risiko und Druck sind jedenfalls groß, in vielerlei Hinsicht.

Für mich ist es selbstverständlich, dass kein Mensch seinen Freund absichtlich im Stich lassen wird, schon gar nicht in einer Notsituation am Berg. Fest steht auch, dass jeder Bergrettungseinsatz bei Gefahr für die Rettungsmannschaft selber selbstverständlich sofort abgebrochen werden muß!
Uelli Steck muss man  zu seiner Verteidigung zugute halten, dass er neben vielen anderen Situationen, auch am Achttausender Annapurna sogar ihm unbekannte Bergsteiger das Leben retten wollte. Er bekam für seinen selbstlosen Rettungseinsatz sogar den Prix Courage im Rahmen der "Piolet d Or" Preisvergabe.

Als sehr wichtig empfinde ich es, sich zur Beurteilung solcher Vorfälle in die Situation hinein zu versetzen. Natürlich ist das nicht jedem im nötigen Ausmaß möglich, umso vorsichtiger sollte man mit eventuellen Schuldzuweisungen sein. Vom "grünen Tisch" im warmen Zimmer erscheint eine Situation immer leichter zu beurteilen, als in Todesgefahr, wenn Steine und Lawinen um einen herum nieder gehen. Mit nachträglich erhaltenen Informationen und mit genügend Zeit und Distanz ist es oft (zu) leicht, etwas "Besser zu Wissen", bzw. theoretisch Entscheidungen zu treffen.

http://www.spiegel.de/sport/sonst/weltrekordversuch-himalaja-benedikt-boehm-und-sebastian-haag-starten-extremtour-a-991241.html

http://www.sueddeutsche.de/panorama/double-expedition-im-himalaya-zurueckgelassen-auf-ueber-metern-1.3063160?reduced=true

http://www.schweizamsonntag.ch/ressort/nachrichten/drama_in_der_todeszone/
 

Montag, 25. Juli 2016

Alpin Journal: Die Allmacht der Smartphones oder die Hörigkeit zu...

Alpin Journal: Die Allmacht der Smartphones oder die Hörigkeit zu...: Die Allmacht der Smartphones oder die Hörigkeit zum Wetterbericht - oder was Wetterberichte und Lawinenlageberichte gemeinsam haben ...

Die Allmacht der Smartphones oder die Hörigkeit zum Wetterbericht

Die Allmacht der Smartphones oder die Hörigkeit zum Wetterbericht
- oder was Wetterberichte und Lawinenlageberichte gemeinsam haben


Bergsteigen  ist in allen seinen mittlerweile hochspezialisierten Detaildisziplinen immer noch ein "Outdoor Sport". 

perfektes Bergwetter auf der Adlersruhe, Großglockner, Foto: Sepp Schiefer
Mir kommt vor, dass sich immer mehr Aktive dieser Tatsache nicht (mehr) bewußt sind. Mit glasigen Augen wird in die Smartphones gestarrt, gegoogelt und alles was dann rauskommt ohne nachdenken für bare Münze gehalten und in der Natur drauf los gerannt, bzw. einfach zu Hause geblieben.

Doch gerade beim Bergsteigen ist der wichtigste Muskel das Gehirn, wie einer der berühmtesten Kletterer aller Zeiten, Wolfgang Güllich, zu sagen pflegte. Man kann es auch einfacher formulieren: der Hausverstand ist nach wie vor gefordert!

Der Wetterbericht - gleich wie der Lawinenlagebericht sind beides P r o g n o s e n für die Zukunft, also keineswegs 100% ig zuverläßige Quellen!! Bitte nicht mißverstehen, trotzdem wichtige Grundlagen zur Tourenplanung, aber mit entsprechendem Stellenwert. Gerade da happert es aber dann bei vielen Aktiven Bergsportlern. Da werden eifrig farbige Tabellen verglichen, "Munter" Grade gerechnet und Piktogramme für bare Münze genommen. Und dann das Ergebnis 1 : 1 in die Natur übertragen, ohne dass die tatsächlich herrschenden Verhältnisse in der Schneedecke oder am Himmel mit einbezogen werden.

A b e r  - die Natur läßt sich auch im Zeitalter der Computer noch immer nicht 100 % ig genau berechnen oder vorhersagen!

Wichtigster Bestandteil dieser Schätzmethoden ist also immer noch das Gehirn. Es ist einfach notwendig den Wetterbericht auf Tour immer wieder zu verfizieren, also in der Natur nach checken, ob sich das Wetter auch so entwickelt wie vorhergesagt und dann halt entsprechend  zu agieren bzw. reagieren. 
Selbiges gilt natürlich im Winter für den Lawinenlagebericht. Das funktioniert natürlich nur mit entsprechender Ausbildung und Erfahrung. 

Abendstimmung am Gosaukamm, wie wird das Wetter morgen? Blick aus meinem Wohnzimmer

Auf die Idee zu diesem Beitrag kam ich, als ein user im fb eine Begehung der Super via ferrata am Dachstein postete, und das Wetter offenbar deutlich besser als angesagt war, eine gelungene Tour also. Viel interessanter als der sehr gute Bericht waren aber die verschiedenen Reaktionen der Mitleser. Daraus konnte man entnehmen, dass sich keiner die Mühe machte, die Bilder wirklich genau an zu sehen. Mehrheitlich wurde eine Begehung einer so langen Tour bei so schlechtem Wetterbericht verurteilt, ja man konnte fast schon von einem kleinen "Shitstorm" reden.

Was wäre gewesen, wenn die Situation umgekehrt gewesen wäre, der Wetterbericht eben perfekt auf "schön", und das Wetter allerdings viel schlechter, oder gar ein Unwetter im Anmarsch? Auch dann wäre der Bergsteiger eben genötigt, die Natur zu beobachten und seinen Hausverstand ein zu schalten und dann eben entsprechend zu reagieren. 

wenn der Sturm mal da ist, brauchst keinen Wetterbericht mehr. 5300 m am Denali, Alaska

Fazit an dieser Stelle, bitte liebe Bergsteiger Kollegen, schaltet bei Aufnahme von Informationen auch euer Gehirn ein! Der Hausverstand ist beim Bergsteigen nach wie vor der wichtigste Ausrüstungsgegenstand. Die beste Ausrüstung und das schönste, schnellste, coolste Smartphone kann die Natur noch immer nicht vorausberechnen! Mit ensprechender Planung und Beobachtung kann man bei fast jedem Wetter am Berg unterwegs sein.

Sonntag, 17. Juli 2016

Alpin Journal: "Das kurze Seil" - Gedanken zum Unfall von Noppa

Alpin Journal: "Das kurze Seil" - Gedanken zum Unfall von Noppa: Auch auf die Gefahr hin schon wieder über Negatives vom Bergsteigen zu Berichten, halte ich es doch für wichtig und interessant, den Unfall ...

"Das kurze Seil" - Gedanken zum Unfall von Noppa

Auch auf die Gefahr hin schon wieder über Negatives vom Bergsteigen zu Berichten, halte ich es doch für wichtig und interessant, den Unfall eines der erfahrensten Bergführers überhaupt, Norbert "Noppa" Joos, zu hinterfragen.

Gehen am kurzen Seil am Großglockner, Bild Schiefer

Noppa war mit zwei Gästen über den Bianco Grat auf den Piz Bernina gestiegen. Beim Abstieg über den Spallagrat dürfte einer der Gäste gestolpert sein, alle drei Mitglieder stürzten ab. Der Bergführer fand tragischer Weise den Tod, die Gäste überlebten den Absturz. Offensichtlich waren die drei Bergsteiger am "Kurzen Seil" im Abstieg unterwegs und es gab somit einen typischen Mitreissunfall.

Schon vor vielen Jahren hat der deutsche Unfallforscher Pit Schubert verschiedene Tests zu Unfällen mit dem Seil auf Schnee und in Firnflanken veröffentlicht. Sinngemäß kam man schon damals zur Erkenntnis, dass es auf verhältnismäßig flachem Terrain, relativ unabhängig von der Art der Bekleidung, schon nach kurzer Strecke zu einer extrem hohen Rutschgeschwindigkeit kommt. Je nach Härte der Oberfläche können rund 80 oder 90 % der Geschwindigkeit des freien Falles erreicht werden.
Unterwegs auf der Mt Blanc Überschreitung, einger typischen Tour mit Gehen am kurzen Seil

Eine rege Diskussion über Mitreissunfälle am Seil in steilen Schnee und Firnflanken war die Folge. Konklusio der damaligen Diskussion war dann eine Empfehlung, als "Gelegenheitsbergsteiger" in steilen Schneehängen generell auf das Kurze Seil zu verzichten.

Warum wird die Technik des "Gehens am kurzen Seil" von Profi Bergführern nach wie vor angewendet? Wie der Unfall von Noppa zeigt, sind auch super erfahrene Profis von Unfällen dieser Art offenbar leider nicht gefeit.

Um die Seiltechnik "Gehen am kurzen Seil" wirklich beurteilen zu können, ist natürlich eine gründliche Analyse derselben notwendig.

Die Nachteile sind offenkundig, ist der Bergführer nur einen Augenblick  unkonzentriert und fällt der Gesicherte erst mal vollständig, ist ein Halten des Sturzes kaum möglich. Einmal in der Sturzbahn kommt es immer dann, wenn einer der Seilschaft den Sturz bremsen (Halten) könnte, durch ruckartiges Spannen des Seiles zu einem "Schnepf - Effekt" und damit zu einer Beschleunigung des Sturzes der ganzen Seilschaft.
Einzig eine sofortige Reaktion des Sichernden durch Zug am Seil während der Abstürzende noch im labilen Gleichgewicht ist, kann einen Sturz verhindern. Eine Ausnahme bildet ein eher flacher Hang mit weichem Schnee, wo man durch "Mitlaufen und anschließendem langsamen Abbremsen" eine Chance hat, den Sturz zu halten.
Gehen am kurzen Seil wird auch in leichtem Felsgelände praktiziert

Über die Vorteile dieser gefährlichen Seiltechnik wird allerdings kaum wo berichtet. Das Seil bietet nämlich auch eine riesige "moralische" Sicherheit. Viele Bergsteiger sind mental nicht so stark, dass sie Firngrate oder ausgesetzte Stellen sicher seilfrei begehen können. Die Furcht läßt sie zögerlich und extrem unsicher agieren. Das Vertrauen in einen Bergführer und in das Seil verwandelt solche Menschen plötzlich. Auf einmal sind diese in der Lage, ohne zögern und problemlos Stellen zu meistern, die sie zuvor als unmölich zu begehen eingestuft hätten. Auch ist es bei der Länge vieler Bergtouren gar nicht möglich, Seillängenweise zu sichern, man würde dann für solche Touren tagelang unterwegs sein.

Somit gehört das "Gehen am kurzen Seil" zur täglichen Arbeit vieler Bergführer, wobei wir uns selbstverständlich den Gefahren dieser Seiltechnik bewußt sind. Für mich zeigt der Unfall von Noppa, wie wichtig es ist, immer wieder sehr sorgfältig abzuwägen, ob es nicht sicherer wäre, auf das Seil in der jeweiligen Situation völlig zu verzichten. Und ja, der Unfall zeigt auch auf, wie wichtig es ist, immer wieder das Sichern  am kurzen Seil zu trainieren. Für Leute (Bergführer und nicht Bergführer), die nicht ein entsprechendes regelmäßigs Training in dieser speziellen Sicherungsart haben, sollte es klar sein, im Fall des Falles lieber seilfrei unterwegs zu sein.

http://www.nzz.ch/panorama/bergunfall-am-piz-bernina-buendner-bergsteiger-norbert-joos-toedlich-verunglueckt-ld.105062

http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/schweiz-bergsteiger-norbert-joos-stuerzt-in-den-tod-a-1102423.html

http://www.blick.ch/news/schweiz/graubuenden/seine-italienischen-gaeste-ueberlebten-buendner-bergfuehrer-55-stirbt-am-bernina-id5249414.html

http://www.alpin.de/home/news/10805/artikel_norbert_joos_toedlich_verunglueckt.html

http://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_78374528/schweizer-bergsteiger-norbert-joos-im-engadin-in-den-tod-gestuerzt-.html

Donnerstag, 30. Juni 2016

Alpin Journal: Gedanken zur "Fatalen Heldenliteratur", einem Arti...

Alpin Journal: Gedanken zur "Fatalen Heldenliteratur", einem Arti...: In der letzten Ausgabe des AV Mitgliedermagazines Bergauf 03/2016 erschien ein interessantes, sehr gut gestaltetes Interview mit dem Autor M...

Gedanken zur "Fatalen Heldenliteratur", einem Artikel im letzten Bergauf des AV

In der letzten Ausgabe des AV Mitgliedermagazines Bergauf 03/2016 erschien ein interessantes, sehr gut gestaltetes Interview mit dem Autor Manfred Ruoß über dessen Buch "Zwischen Flow und Narzissmus"

zerstörtes Camp in der Antarktis, hier kommt es auf Teamarbeit und "Leistungsdenken" an!

In der Einleitung zum Interview wird darauf hingewiesen, dass der Autor "...die Heldenverehrung von Extremen fatal findet, vor allem die Zusammenarbeit vieler Profis mit der Wirtschaft für die Gesellschaft negativ sei"

In seinem Buch beschäftigte sich der Autor aus der Ferne mit Psychogrammen von "Profi Bergsteigern" wie Steve House, Ueli Steck, Gerlinde Kaltenbrunner uva.

Zunächst finde ich Bücher über den "Hintergrund" von Bergsteigern generell sehr interessant. So auch die Thematik von Herrn Ruoß in Bezug auf Bergsteiger. Dabei ist aber mein Eindruck, dass der Autor mit einer negativen Wertung der Bergprofis "rüberkommt", ohne diese vorher überhaupt definiert zu haben.

ein lang gehegtes Ziel zu erreichen ist sehr wohl ein nützlicher Faktor für die Gesellschaft

Erstens: Wer ist überhaupt ein Profi? Es gibt neben Bergsteigern mit "alpinen Rekorden", die davon leben ihre Rekorde zu vermarkten, noch eine ganze Reihe anderer Profis beim Bergsteigen. Zum Beispiel Bergfilmer. Robert Schauer aus Graz etwa zeigt schon seit über 30 Jahren mit seinem erfolgreichen und international sehr renommierten Bergfilmfestival in Graz, dass man auch von Bergfilmen leben kann, also Profi sein kann.

Bekannte Bergfotografen, wie etwa Herbert Raffalt aus Haus im Ennstal oder international bekannte Persönlichkeiten wie Heinz Zack, und viele andere, kann man getrost als Profi Bergsteiger bezeichnen, da sie ja über den Umweg der Fotografie hauptberuflich vom Bergsteigen leben.

Last but not least sind selbstverständlich tausende Bergführer als Profi Bergsteiger zu bezeichnen. Ich lebe schon seit meiner Studienzeit hauptberuflich vom Bergsteigen, bin also Profi Bergsteiger.

Zweitens: auf die erste Frage im  Interview in den Bergwelten auf Seite 37 antwortet Herr Ruoß wie es zu seinem Buch kam, sinngemäß er lese seit Jahrzehnten diese alpine Heldenliteratur. Eine genaue Bezeichnung folgt jedoch nicht!

Ich teile die Meinung von Ueli Steck völlig, dass es nicht seriös sei, aus der Ferne, über das Studium nicht näher bezeichneter Literatur, Personen zu analysieren. Noch dazu als ausgebildeter Psychologe. Das Interview des Autors vermittelt für mich nur eine wirre Ansammlung von Vorurteilen.
nicht zuletzt hat auch das Reisen im Zusammenhang mit Bergsteigen einen wichtigen Stellenwert für die Gesellschaft

Drittens: Der Bogen, den der Autor Ruoß von den Profi Bergsteigern zur Wirtschaft spannt, ist völlig überspannt, im wahrsten Sinn des Wortes. Schon im ersten Absatz beurteilt er die Zusammenarbeit zwischen Profi Bergsteigern mit der Wirtschaft als negativ. Wie das? Ohne zu definieren, was er unter Profi Bergsteigern versteht, ohne zu definieren welche Art von Zusammenarbeit von Profis zur Wirtschaft er meint?
Ich arbeite schon seit Jahren mit unserer Firma Peak e motion sehr erfolgreich mit diversen Firmen zusammen. Naturgemäß geht es dabei um Führen von Menschen in außergewöhnlicher Umgebung, oft unter Risiko, und Führen von Menschen in der Wirtschaft, wo sehr wohl auch immer wieder ungewöhnliche Umstände auftreten.....

Es arbeiten dutzende, wenn nicht hunderte mehr oder weniger professionelle Bergsteiger sehr zum Wohle der Allgemeinheit mit Vertretern der  Wirtschaft zusammen. Ich denke da etwa nur an diverse Entwicklungsarbeit für Ausrüstungsfirmen, oder die gesamte "Industrie" der Berg- und Wanderführer, selbstverständlich mit professionellem Einsatz und selbstverständlich sehr zum Wohle der Tourismus Industrie.

Viertens: Nicht zuletzt versteigt sich der Psychologe und Autor Ruoß in die Behauptung, dass Profi Bergsteiger sehr viel Geld von Vertretern der Wirtschaft erhalten. Offensichtlich hat er ungenügend oder überhaupt nicht recherchiert. Man müßte für diese Behauptung ja auch wieder definieren, was sehr viel Geld überhaupt ist. Jedenfalls übersteigt das Einkommen eines in der Regionalliga tätigen Fußballers das Einkommen der meisten Profi Bergsteiger um Dimensionen, selbstverständlich bei völlig anderem Einsatz an Energie und Risiko.

Fünftens: Selbst wenn ich mich auf die Profis im Risiko Bereich des Bergsteigens beschränke, denke ich keinesfalls, dass ihr Wirken auf die Gesellschaft nur negativ zu beurteilen ist. Wie so viele Dinge, hat auch diese Medaille zwei Seiten. Neben dem unbestrittenen Erobern des Unnützen, stehen viele  - oft auf den ersten Blick nicht zu sehende - nützliche Dinge für die Allgemeinheit.
Ich denke da an die Parallele von Forschern in der Wissenschaft zu Forschern in der Natur bzw. auf Expeditionen, neue und ungwöhnliche Wege zu gehen. Oder hier wie da die Parallele als Aussenseiter der Gesellschaft irgendwann, irgendwie trotzdem ein neues Ziel zu erreichen. Im Bereich der Bergführer Profis ist der Nutzen für die Gesellschaft sowieso sofort als extrem positiv zu beurteilen. Wie viele Unfälle oder Verirrte würde es ohne professioneller Ausbildung durch Profi Bergführer geben? Millionen Urlauber kommen entspannt von ihren Bergurlauben mit Profi Bergführern zurück an ihren Arbeitsplatz und können wieder voll motiviert ihrer Aufgabe nachgehen!

Nicht zuletzt sei noch der Leistungsgedanke angesprochen. Selbst Herr Ruoß billigt dem Freizeitbergsteigen, wie er selber es betreibt, positive Aspekte zu. Ich persönlich finde, dass der Leistungsgedanke sehr wohl oftmals auch zum Bergsteigen dazu gehört. Sei es jetzt, dass ich mich selbst in meiner Leistung steigere, indem ich ein persönlich gestecktes Ziel, einen besonderen Gipfel erreiche, oder auch indem ich einen entfernten Gipfel oder eine unbekannte Wand mit meinen Freunden oder Gästen besteige.
Ohne Leistungsdenken würde unsere Gesellschaft inklusive Industrie oder auch die vielen kleinen Gewerbebetriebe im Lande "schön ausschauen"!!

Alles in Allem beurteile ich das Buch von Herrn Ruoß über die Psychologie von Profis am Berg als sehr einseitig, plakativ und vor allem im Bezug auf Profi und Bergsteigen schlecht fundiert.







Donnerstag, 12. Mai 2016

Alpin Journal: Preiskrieg am Everest? Wie wirken sich die Änderun...

Alpin Journal: Preiskrieg am Everest? Wie wirken sich die Änderun...: der Mt. Everest In diesen Tagen feiere ich seit einigen Jahren meinen zweiten Geburtstag. Von hoch oben an der Westschulter des Mt. Ev...

Preiskrieg am Everest? Wie wirken sich die Änderungen aktuell aus?


der Mt. Everest

In diesen Tagen feiere ich seit einigen Jahren meinen zweiten Geburtstag. Von hoch oben an der Westschulter des Mt. Everest hatte sich damals ein riesiger Teil eines Hängegletschers gelöst, und raste, tod- und verderben bringend, direkt auf unsere Gruppe zu. Donnernd wälzte sich eine riesige Masse aus blauen Eistrümmern, von Kopf- bis Kastengröße, vermischt mit feinsten Eispartikeln mitten durch den berüchtigten Khumbu Eisbruch, und traf am unteren Ende auf die Aufstiegsroute. Der Sherpa Lapka Nuru wurde nur einen halben Meter neben mir von Eistrümmern getötet, während ich kopfüber in eine schmale Gletscherspalte geschleudert wurde. Nach rund 15 Metern blieb ich in einer Verengung aus blauem, blankem Eis stecken, kopfüber und am ganzen Körper "zerdebbert".

Langsam, bedingt durch mein Körpergewicht und durch das Schmelzen des Eises, sank ich immer tiefer und wurde so immer enger eingezwängt, wie in einem überdimensionalen Nussknacker pressten die nach unten enger werdenden Eiswände die Luft aus meinem Körper. Ich konnte meine Hände, Kopf und Beine nur mehr sehr eingeschränkt bewegen und unter mir eine große Blutlache auf einem Schneefleck in der Dämmerung erkennen. Eigentlich war ich lebendig in meinem eisigen Grab, rund 15 Meter unter der Oberfläche, begraben.
Die märchenhaften Eisformationen und riesigen Eiszapfen in dieser eisigen Unterwelt nahm ich nur noch in meinem Unterbewußtsein wahr, während ich verzweifelt versuchte, mich mit bloßen Händen aus dem blauen, blankem, Eis zu befreien. Immer kurzatmiger wurde ich, langsam fror ich jämmerlich und war außerdem pitschnass vom Schmelzwasser......

Lawinen sind die häufigste Todesursache am Mt. Everest, hier ein zerstörtes C 1

Ich war bereits seit einiger Zeit bewußtlos, als ich in letzter Sekunde aus meinem eisigen Grab in rund 5 700 m Höhe befreit wurde. In einer großangelegten und gut organisierten Rettungsaktion, nahezu aller relevanten Teams, konnte ich gerettet werden.

Aufgrund dieses dramatischen Erlebnisses - und auch natürlich wegen insgesamt doch rund acht Monate verbrachter Zeit (anläßlich von vier Expeditionen, 2005, 2006, 2008, 2009) im Basislager des Mt. Everests, verfolge ich nicht ganz emotionslos die Ereignisse, die sich Jahr um Jahr am höchsten Berg der Welt abspielen.

Vor rund einem Jahr habe ich meine Einschätzung bezüglich der "Sherpa Situation" und des Generalstreiks einiger Sherpas im Jahr 2014  geschildert. 2015 gab es dann das katastrophale Erdbeben mit der rieigen Lawine ins Basecamp. Diese Vorfälle hatten insgesamt zur Folge, dass die Anzahl der westlichen Bergsteiger, die eine so enorme Geldsumme, wie jene für eine Mt Everestbesteigung nötige, aufbringen können, signifikant zurück gegangen ist. Zwischen 200 und 300 Bergsteiger sind heuer am Berg unterwegs und wie es scheint läuft alles in ruhigen Bahnen ab.

Auf leisen Sohlen schleicht sich nun offenbar aber ein neues Problem auf den "Everestmarkt":
NBC News brachte am 8. Mai einen sehr interessanten Artikel darüber:

http://www.nbcnews.com/news/world/mount-everest-guide-services-warn-about-cut-rate-competitors-n569626

Hier ein Zitat daraus von meinem langjährigen Bergführer - Kollegen an vielen der "Seven Summits", Freund und letztendlich auch Lebensretter, Willi Benegas:


"..... many of the low-cost operators also use old equipment to save money. That enables them to charge clients as little as $20,000 for an assault on the mountain, far less than the $40,000 to $60,000 that many established companies charge. (Some luxury outfits charge clients as much as $100,000)."

Kaffee mit Willi Benegas im Everest BC, 2005
 So erfahrene, aber auch teure, Veranstalter wie etwa der aus  vielen Fernseh Dokumentationen bekannte, Russel Brice, meinen, dass viele der "neuen billigen Agenturen" Sherpas ohne Höhenerfahrung für den Lastentransport durch den gefährlichen Khumbu Eisbruch und auch in größere Höhen über 6000 m einsetzen.

Russel Brice: "The new lot, they hire these young boys who have never been on a mountain and their first trip is carrying loads to the South Col (8000 m)," he warned. "How is that fair? Who is looking after them?"

Einige wenige unseriöse Anbieter, die sich im Internet leicht als seriös und mit langjähriger Erfahrung tarnen können, hatten in den vergangen Jahren Probleme mit überforderten Gästen/Teilnehmern. Es scheint, dass da in Zukunft noch ein Problem mit unerfahrenen und unausgebildeten Sherpas dazu kommen könnte. Sollten sich Expeditionen auf den höchsten Berg der Welt noch weiter verbilligen, so wird das wieder mehr Menschen, oftmals auch überforderte, anziehen befürchten viele "Veteranen".


Das wird in Zukunft die Gefahren am höchsten Berg der Welt noch erhöhen, wo selbst sehr erfahrene Sherpas und Führer in rasch in Lebensgefahr kommen können.

Derzeit gibt es keine Mindestlöhne oder gesetzliche Regelungen zur Entlohnung der Sherpas. Der Trend zu "billigeren" Arbeitskräften und damit "Endverbraucher Preisen" am Everest könnte die etablierten teuren Veranstalter zu reduzierten Löhnen treiben, oder überhaupt gleich ganz aus dem Geschäft, meinen viele Insider.

"Billig Agenturen", die den Everest um 20 000 $ anbieten, haben nur eine sehr geringe Spanne, wenn man davon die 11 000 $ Permitgebühr noch abzieht. Man muss dabei bedenken, dass die Mannschaften, Köche, Träger, Sherpas und natürlich auch Bergsteiger mindestens 2 Monate am Berg sind.  Normalerweise verdient ein "arrivierter Sherpa" rund 6000 $ an einer Expedition, "billig Agenturen" bezahlen jedoch unerfahrenen newcomern unter den Sherpas nur rund 800 $.....

Auf der einen Seite gibt es aber sehr gut ausgebildetes "Personal": Viele Sherpas besuchen "climbing schools", westliche Bergführer sind normalerweise nach dem Standard der "International Federated Mountain Guides Associations" ausgebildet. Auf der anderen Seite wird für die Arbeit am höchsten Berg der Welt keinerlei Qualifikation verlangt!!

Oftmals wissen zahlende Teilnehmer dann gar nicht, welche Ausbildung ihr "Guide", Bergführer, hat, oder die Sherpas haben. 


Wir werden sehen, was die Zukunft bringt, hoffentlich nicht wieder eine große Katastrophe, denn gesund vom Berg nach Hause kommen wollen wir doch alle.








Montag, 25. April 2016

Alpin Journal: Wie düster ist die Zukunft gesponserter Profi Alpi...

Alpin Journal: Wie düster ist die Zukunft gesponserter Profi Alpi...: Wie düster ist die Zukunft gesponserter Profi Alpinisten?   Vor einigen Tagen sind wir von zwei traumhaft schönen Wochen in Island nach H...

Wie düster ist die Zukunft gesponserter Profi Alpinisten?

Wie düster ist die Zukunft gesponserter Profi Alpinisten? 

Vor einigen Tagen sind wir von zwei traumhaft schönen Wochen in Island nach Hause gekommen. Das Saisonende verbunden mit den momentanen Wetterkapriolen ließen mir Zeit, etwas in der Alpinliteratur zu stöbern.
Dabei bin ich auf einen Artikel im "Outside magazin" gestoßen, der einen interessanten Einblick in das "neue Sponsorverhalten" diverser Konzerne bietet.

http://www.outsideonline.com/2070866/social-media-screwing-over-explorers-iceland-coldest-crossing


ein kleines Zelt auf über 4000 m, mitten in der Antarktis, Abenteuer pur!
Vier blutjunge englische Abenteurer hatten in typisch englischer Manier (kaum vorbereitet und kaum Erfahrung in dem Spezialgebiet) eine "first unsupported winter crossing of Iceland" versucht. Ein sprichwörtlicher Kaltstart in "subarktischer Wildnis, knapp am Polarkreis". Bei uns wurde diese "Expedition" kaum bekannt, umso mehr Staub wirbelte das Unternehmen der Engländer in Island auf.  Kaum vorbereitet - dieser Vorwurf stimmt so nicht ganz. Die Gruppe war perfekt in den neuen Medien vertreten, inklusiver diverser Übertreibungen und halbwahren "firsts". Natürlich wurde Island schon mehrfach auf diversen Routen zu allen Jahreszeiten durchquert, eventuell noch nicht vom nördlichsten Zipfel bis zur letzten Halbinsel im Süden und das im Winter. Geendet hat das Unternehmen dem Vernehmen nach in einer glücklichen Aktion der lokalen Rettungsbehörden, da es den jungen Briten schließlich doch zu kalt und unwirtlich geworden war. Für Medienecho in England, entsprechenden "clicks" war trotzdem gesorgt, und am Ende haben die vier so offenbar ein nettes Sümmchen mit ihrer Aktion verdient.

auf Expedition in der Antarktis, exclusiv vom Erlebniswert und Geldwert
Na und, wird sich mancher Leser fragen. Haben halt ein paar junge Leute halbseriös "Kohle gemacht".  Die Aktion ist aber doch symptomatisch für unsere Zeit und wirft schon einige Fragen oder Probleme auf. So ist der "Sponsormarkt" in etwa immer gleich groß, die Gelder werden also in einem Verdrängungsprozess verteilt. So wie etwa die gesamten Printmedien kaum mehr Einkommen aus Inseraten erhalten, da die Budges ins Internet wandern, haben "echte Profiabenteurer" zunehmend ein Problem, ihre Abenteuer zu finanzieren, sofern sie nicht wirklich "gut mit social media" sind.
Was heisst denn nun eigentlich gesponsert? So manche junge Burschen kleben sich das Logo eines bekannten Brauseherstellers auf die Stirn, und suggerieren damit ihren Freunden, gesponsert zu sein. Der Konzern hat es für sich geschafft, dass es unter Jugendlichen offenbar "cool" ist, für diese Firma zu werben - völlig unabhängig von einer entsprechenden Entschädigung. Dies ist natürlich noch kein Sponsoring!!

Will man wirklich von seinen Abenteuern und Reisen leben, so ist da schon ein beträchtlicher Mehraufwand notwendig. Die benötigte Ausrüstung für einen Trip stellt für einen Profi eigentlich das Minimum des Aufwandes dar. Meistens hat man sowieso schon Ausrüstung im Überfluss, und eher ein Lagerproblem, als ein Ausrüstungsproblem. Also Ausrüstungs - Sponsoring ist eher Nebensache, ein "nice to have". Eben eine Notwendigkeit, wenn man von einer Firma Geld erhält, um "content" also Inhalt zu produzieren. Da sollten dann schon die Ausrüstungsgegenstände des Sponsors eben zu sehen sein. Betreibt man ein Abenteurerleben aber professionell, so benötigt man schlicht und einfach eben Geld.
Ein viel größeres Problem als Ausrüstung stellt die Produktion des erwähnten "contents" dar. Filmchen und Fotos in perfekter Profiqualität sind da heute schon der Standard, und alles natürlich in Echtzeit im Internet. Abgerechnet wird nur noch in "clicks". 
Dies führt zum nächsten entscheidenden Problem für Profis. Gute Abenteuer, tolle Touren, weiße Flecken auf der Landkarte haben naturgemäß keine berühmten Namen. Es ist somit also sehr schwer, Menschenmassen dazu zu bringen, auf einen bestimmten Inhalt zu  klicken. Derzeit wird dies hautpsächlich durch immer noch verrücktere, absolut lebensgefährliche "Stunts" erreicht. Dies führt wiederum zu entsprechenden Unfällen, was viele Firmen aber wieder zum Rückzug veranlaßt hat. Z. B. kündigte die amerikanische Firma "Cliff bars" Sponsor Verträge zu bekannten Solokletterern. Nicht zu vernachlässigen ist auch noch die technische Herausforderung, von solch entlegenen "weissen Flecken" möglichst in Echtzeit und entsprechender Qualität den Inhalt ins Internet einspeisen zu können. Das erfordert teilweise schon wirkliches technisches Insiderwissen und entsprechendes high tech Gerät.

Ein weiterer Aspekt bei wirklichen Abenteuern ist natürlich der generelle Möglichkeit des Scheiterns. Und das kann natürlich keine große Werbekampangne als Grundlage haben. Damit ein Athlet wirklich große Abenteuer erleben kann, benötigt er eine Erfahrungszeit, in der man sich von Aktion zu Aktion quasi hinaufarbeitet. Es steigt nicht nur die Erfahrung im Gelände, sondern es steigen auch die Kontakte und man hat auch viel mehr "Horizont um das Ganze". Gleichzeitig wird aber gefordert, mit Filmkamera und Internet perfekt auf "Du und Du" zu sein, und genau da happert es leider bei vielen. Dieses Manko führt derzeit dazu, dass bekannte Athleten Schwierigkeiten haben zu Sponsoren für "gute Aktionen" zu bekommen. Ein amerikanischer Bekannter von mir, Andrew McLean, bekennt sich offen zu diesem Manko. Dabei hat er immerhin z. B. die erst Schibefahrung des Mt. Hunters absolviert, oder unglaubliche Expeditionen in der Antarktis überstanden.

Die bekannte Bergsportfirma Mountain Hardware hat sich zum Beispiel von Leuten wie Ueli Steck getrennt. Gleichzeitig hat ein Freund von mir, Mike Libecki es geschafft, bei Mountain Hardware an Bord zu bleiben. Er vermarktet aber mitlerweile kaum mehr seine Extremtouren, wie etwa Solo BigWall Klettern in der Antarktis, sondern fährt mit seiner kleinen Tochter auf den Killimandscharo. Dafür ist es für ihn viel leichter "Inhalt, sprich content" zu kreiren und damit für seinen Sponsor und dessen "Massenzielgruppe" wertvoll zu bleiben. 

Was heisst das nun für die Zukunft der Profibergsteiger? Es wird tastsächlich immer schwieriger Geld (denn das benötigst du am dringendsten) für das "Verschieben von Grenzen", für echte Abenteuer, aufzutreiben. 

Wird sich was ändern? Ich glaub wenig. Es wird weiterhin Idealisten geben, die sich einfach auf die Reise machen werden und tolle Dinge erleben. Davor und danach halt mehr oder weniger lang "buddeln" bis das benötigte Geld in der Kasse ist. Wirklich schade ist dabei, dass gleichzeitig "Pseudoabenteurer", oder mit irgendwie "halben Dingen" offenbar das große Geld gemacht werden kann. 

Auch kann man beobachten, dass einige Profialpinisten sich ihre Ziele eben in bekanntem und erschlossenem Raum such(t)en. So hat Alex Huber bereits vor vielen Jahren in der Nordwand der Westlichen Zinne mit "Bella Vista", bzw. seinem Solo in der Hasse Brandler Alpingeschichte schreiben können. Ein Ueli Steck wurde durch seine Speed Rekorde durch die Eiger Nordwand einer großen, "nicht bergsteigenaffinen" Menschenmasse bekannt. Bekanntheit des Namens der Akteure und des Zieles in Kombination ist offenbar ein (kurzer) Ausweg aus dem Einkommensdilemma verschiedener Profis.



Donnerstag, 21. April 2016

Alpin Journal: Was Schitourengeher und Heuschrecken gemeinsam hab...

Alpin Journal: Was Schitourengeher und Heuschrecken gemeinsam hab...: Was Schitourengeher und Heuschrecken gemeinsam haben - Versuch einer Analyse Frühling in Island, in den Alpen ist die Schitourensaison sc...

Was Schitourengeher und Heuschrecken gemeinsam haben


Was Schitourengeher und Heuschrecken gemeinsam haben - Versuch einer Analyse

Frühling in Island, in den Alpen ist die Schitourensaison schon weitgehend vorbei. Im hohen Norden, in den Fjorden der Trollhalbinsel Islands, nahezu am Polarkreis, fängt die Saison gerade mal an. 

Start  zu einer traumhaften Schitourn in Island

Seit nunmehr rund 25 Jahren bereise ich den Globus in allen Richtungen mit Gästen in Sachen Berge. Natürlich hat sich in dieser Zeit auch eine Menge geändert. Unsere Erde ist nun mal rund und dreht sich weiter. Manche Gegenden werden von Zeit zu Zeit gefährlicher, andere wiederum scheinen ein Hort des Friedens zu bleiben.

Reisen und auf Berge steigen gehört für mich nun mal zusammen - beides hat mit Entdecken und Abenteuer zu tun. Ich bin in der glücklichen Lage, Abenteuer von denen ich als kleiner Bub mit glühenden Ohren gelesen habe, beruflich in meinem Leben real zu erleben.  

Entscheidender Bedeutung kommt selbstverständlich der Wahl des Zieles zu. Natürlich gab es früher viel weniger Menschen, die in die Berge gingen, vor allem viel weniger Schitourengeher. Und natürlich gab es immer schon Ziele, Berge, die man einfach "gemacht haben" mußte. Die daraus resultierende Konzentration an Menschen war aber immer noch überschaubar. Klar, Bergsteiger such(t)en die Bergeinsamkeit, um sich in der Ruhe der Natur zu erholen und Energie zu tanken.

Irgendwie kommt es mir heute vor, hat sich die Einstellung vieler Bergsteiger bzw. Schitourengeher verändert. Man hat einfach den Eindruck im Zeitalter von Facebook, Pinterest und Internet insgesamt, dass es immer mehr darum geht, "in" zu sein, "dabei zu sein", um ein Filmchen oder Foto von der Tour, die man "gemacht" hat, zu ergattern. 

Ist eigentlich eh  ein komischer Begriff: "Tour die man gemacht" hat. Man macht doch keine Tour, oder Berg. Man erwandert oder besteigt den Berg, oder absolviert von mir aus eine Tour. Aber die Berge, Wände, Grate und Firnflanken wurden doch von der "Natur gemacht", oder?
Na ja, eine Reise macht man, da paßt es dann wieder zusammen. 
 
Abfahrten bis hinunter zum Eismeer, eine faszinierende Erfahrung!

Was mir aber wirklich im Laufe der Zeit auffällt, ist ein bestimmtes Muster. Ein Muster, dass Bergsteiger (Schitourengeher) und Heuschrecken scheinbar gemeinsam haben. Wie eine riesen Welle schwappt eine Masse an Menschen von Gebiet zu Gebiet, von Berg zu Berg. 

Solche "Trends" sind relativ schwer im Voraus zu beurteilen, im Rückblick ist das schon leichter.  Vor der Jahrtausendwende waren Schitouren in Afrika in aller Munde. Das Internet trat seinen endgültigen Siegeszug an, und damit begann eine Flut an Informationen. Plötzlich wollte jeder vom Viertausender im Hohen Atlas, von perfekten Firnhängen direkt in die Oasen der Sahara sehen. Nach einigen Jahren flaute dieser Trend etwas ab, nur um von den Abruzzen in Süditalien abgelöst zu werden. Zugegeben, die hunderte Meter langen, perfekt geformten Schihänge gepaart mit italienischem Essen und Flair, das hat schon was. 
Als ich 2003 zum ersten Mal in Tromsö in Nordnorwegen  Schitouren von einem Schiff in den diversen Fjorden um Lyngen machte, ahnte ich noch nicht, dass rund zehn Jahre später diese einsame Gegend von Schitourengehern ähnlich einem Heuschreckenschwarm überschwemmt werden würde. 

Und die "Herde" zog weiter. Heute kann es schon mal sein, dass man in den "einsamen Bergen" im Norden Islands mehr Tiroler trifft, als im Stubaital.


Eines ist aber heute unverändert wie früher, man will was erleben und freut sich, wenn man von Abenteuern berichten, erzählen kann.  

Als Bergführer, der von den Touren mit seinen Gästen lebt, ist man so immer irgendwie in der Zwickmühle. Einerseits findet man einsame Gegenden alpiner, anspruchsvoller, andererseits muss man die Touren anbieten, wo Gäste hinwollen. Und so wirkt man natürlich selbst wieder verstärkend auf den Trend und ist selber Teil des "Heuschreckenschwarms". Spannend bleibt, wohin es als nächstes geht. Ein heisser Tip von mir wäre Andalusien, es gibt da herrliche Schitouren in der Sierra Nevada gepaart mit den kulturellen highlights in Granada.

Dienstag, 8. März 2016

Alpin Journal: Ein Grenzerlebnis am Mt. Everest

Alpin Journal: Ein Grenzerlebnis am Mt. Everest: Ein Grenzerlebnis am Mt. Everest Heute mal eine etwas Andere Geschichte. Bei meinen insgesamt 4 Expeditionen zum höchsten Berg der We...

Ein Grenzerlebnis am Mt. Everest

Ein Grenzerlebnis am Mt. Everest


Heute mal eine etwas Andere Geschichte. Bei meinen insgesamt 4 Expeditionen zum höchsten Berg der Welt kam ich selbstverständlich in die Eine oder Andere Grenzsituation. 

Zelte am Südcol, dem höschsten Campingplatz der Welt (7 980m)

Diese Geschichte beschreibt, wie ich mich mitten in der Nacht, mitten in einem Sturm auf über 8000 Metern Höhe verirrt hatte, und was mir dabei durch den Kopf ging.

Du hast es versprochen, Papa!

„Du hast es versprochen Papa!“, „ja, ganz bestimmt, wenn ich aus Nepal zurückkomme, gehen wir mit dem Zelt in die Berge und übernachten da ganz hoch droben“, verspreche ich noch meinen beiden Töchtern vor der Abreise. Und nun sitze ich da, da in der totalen Scheiße!

Stell dir vor, es ist Nacht, nicht irgendeine Nacht, nein, stock dunkel, ohne Mond und es stürmt, dass es immer wieder riesige Schneefahnen vom Gletschereis durch die Gegend peitscht. – Du hast es versprochen, Papa!- geht mir mein Versprechen an meine Töchter  immer wieder durch den Kopf.
Auf 5 500 m hast du noch die Hälfte der Luft zum Atmen, aber hier heroben auf ca. 8 200 m sind es vielleicht noch  20 %. Ich sitze hoch über dem höchsten Pass der Welt zwischen dem Mt. Everest und dem Lhotse im Sturm auf meinem Rucksack und überlege. Normalerweise hat man hier heroben ein funktionierendes Sauerstoffgerät. Mein Sauerstoffgerät funktioniert nicht, dafür habe ich eine ca. 10 kg schwere O2 Flasche im Rucksack. Renate ist mit den Freunden weiter gestiegen, sie wollen trotz des Sturmes einen Gipfelversuch wagen. – Du hast es versprochen, Papa, geistert mir mein Versprechen immer wieder im Kopf herum.   

Es nützt nichts, meine Zehen sind schon eiskalt, und die Stirnlampe wird auch nicht mehr lange leuchten. Tief drunten, bei unseren Zelten kann ich das regelmäßige Leuchten einer Blinkleuchte erkennen. Wie ein Leuchtturm in der Brandung verspricht es Geborgenheit und Wärme – wenn es nicht soo weit weg wäre! Ich reiße mich zusammen. Auf! Langsam, jeder Schritt unendlich mühsam, taste ich mich tiefer. Jetzt müssten langsam die ersten Fixseile auftauchen. Verstört leuchte ich mit meiner immer schwächer werdenden  Lampe in die Dunkelheit. Wie die Scheinwerfer eines Autos leuchtet der Lichtkegel einen bestimmten Bereich ab, daneben  ist nichts als eiskalte, schwarze Dunkelheit. Kein Seil in Sicht. Wohin ich mich auch drehe, nichts als kaltes Eis und immer wieder vom Sturm aufgewirbelte Wolken von Schneestaub. Das Gelände wird steiler, ca. 50 Grad, blaues blankes Eis, unterbrochen von einigen schmalen Pulverschnee Bändern.  Du hast es versprochen, Papa! schießt es mir durch den Kopf, ich muss wieder heimkommen. Ich setze mich auf meine Rucksack, hechelnd, wie ein ertrinkender nach Luft schnappend

Hier ist es mir ohne Fixseil bei Dunkelheit und Sturm viel zu gefährlich. Meine Instinkte, durch 20 Jahre hauptberufliches Bergführen geschärft, raten mir in flacheres Gelände Richtung Kang Sung Wand zu queren. Plötzlich, völlig ohne Vorwarnung ist ein Fuß weg. Ich hänge mit einem Fuß in einer Gletscherspalte, mit der anderen Körperhälfte über der 50 Grad steilen Blankeisflanke. Langsam, nur cm – weise gelingt es mir, vorsichtig den Fuß aus der Spalte zu ziehen, ständig darauf Achtend, nicht von der 10 kg schweren Sauerstoffflasche in den Abgrund gezogen zu werden. Ich liege wie ein Hund am Bauch und versuche verzweifelt genug Sauerstoff aus der dünnen Luft zu saugen. – Du hast es versprochen, Papa!


der Hillary step, danach ist man fast "oben"

Reiß dich zusammen, da unten, dort wo es blinkt, hast du es geschafft. Da gibt es alles, sogar Wärme  in Form von Schlafsäcken, in dieser sonst so total lebensfeindlichen Zone – nicht umsonst Todeszone genannt. Weiter. Dort drüben wird das Gelände endlich flacher. Der Lichtkegel der Stirnlampe leuchtet mir ein schmales Blankeisband aus, vielleicht 50 relativ steile Meter, unterbrochen von ca. 20 cm breiten Stufen alle 10 Meter.
Zehn mal, 20 mal atme ich durch bevor ich die bei so vielen Kursen gelehrte „Katzenbuckel“ Stellung einnehme. Plötzlich rutschen die Steigeisen, - das ist mir noch nie passiert. Das Eis ist derartig hart, dass die spitzigen, stählernen Zacken der Steigeisen kaum mehr eindringen können. Mit winzigen Schrittchen taste ich mich tiefer. Pause.  – Du hast es versprochen, Papa! Nach Luft hecheln und weiter. Plötzlich geht alles ganz schnell. Ein Fuß rutscht endgültig weg, der andere bleibt wie angeklebt stehen. Die Folge ist eine rasante Drehung und ein anschließende Kapriole mit Sprung. Ich stoße den Pickel mit aller Kraft und meinem gesamten Körpergewicht auf das blanke, blaue, diamantharte Eis. Es gelingt mir, meinen Körper zu stabilisieren. Luft, Luft, ich brauche mehr Luft. Langsam gehe ich in die Knie, sinke über den senkrecht gestellten Pickel zusammen, das Gesicht tief in die Handschuhe vergraben hechle ich – wie ein Ertrinkender – nach dem letzten Restchen Luft. – Du hast es versprochen, Papa!
Langsam, nach Minuten die sich wie Stunden ziehen, hebe ich den Kopf. Regelmäßig, noch immer gnadenlos weit weg, blinkt die Leuchte des Camps, wie die Signalleuchte eines Flugzeuges in 10 000 m Höhe. Noch immer rund zehn oder 15 Meter steiles, gefährliches Gelände. Ich konzentriere mich. – So wie ein Schirennläufer am Start die ersten Tore anvisiert, stiere ich völlig konzentriert auf das Pulverschneeband im Flachen. Noch fünf Schritte, noch drei, endlich. Wieder sinke ich auf den Boden und hechle verzweifelt nach Luft. Die Spannung ist weg. Zum Glück haben wir die Leuchte am Zelt. Jetzt muss ich „nur“ noch einige hundert Meter über fast flaches Gelände zu den Zelten. Der höchste „Campingplatz“ der Welt. Irgendwie schaffe ich es noch diese letzte Hürde zu überwinden. Welches war hier nur unser Zelt? Ich brauche einige Minuten, bis ich mich erinnern kann. Unendlich erleichtert gelingt es mir nach einigen Versuchen endlich die Steigeisen von den Schuhen zu lösen. Der Sturm tobt unvermittelt weiter, die Zelte flattern voll im Wind und geben ein knatterndes Geräusch von sich. Ich öffne die Apsis, sofort reißt mir der Sturm das Zelt aus der Hand. Mit letzter Kraft werfe ich mich auf meine Schlafsack – Du hast es versprochen, Papa, schießt es mir wie schon seit Stunden durch den Kopf. Ja, ich werde mit meinen Töchtern im Zelt übernachten, ganz hoch oben in den Bergen!   
zum ersten Mal am Gipfel des höchsten Berges der Welt
  

Montag, 22. Februar 2016

Alpin Journal: "Brökelt" der Mythos Everest? Ausblick auf die Sai...

Alpin Journal: "Brökelt" der Mythos Everest? Ausblick auf die Sai...: Die letzte "normale" Saison für eine Besteigung des Mt. Everest war 2012 bemerkt Alan Arnette, d e r  akribische "Everestbl...

"Bröckelt" der Mythos Everest? Ausblick auf die Saison 2016


Die letzte "normale" Saison für eine Besteigung des Mt. Everest war 2012 bemerkt Alan Arnette,
d e r  akribische "Everestblogger" aus Colorado in einer Ausgabe des Outside Magazins.
Ich konnte in meiner Karriere als Bergführer vier Expeditionen auf den höchsten Berg der Welt leiten, und ich verfolge selbstverständlich mit großem Interesse die Ereignisse sehr genau. Bei meinen Everestbesteigungen lernte ich die diversen kleinen und großen Veranstalter, und auch viele Profi Bergführer aus aller Welt, direkt am Berg während unserer "Arbeit" kennen. Dabei konnte ich auch mit einigen Sherpas Freundschaft schließen.

Gipfelrast am Mt. Everest, mein "zweites Mal am Gipfel" war der  schönste aller "drei Gipfel"

Die aggressiven Auseinandersetzungen 2013 zwischen den Profi Alpinisten Uelli Steck und Simone Morro mit einigen äußerst gewaltbereiten Sherpas gingen auch in Europa durch die Medien. Ein Jahr später zwang eine Minderheit aggressiver Sherpas die renomierten Veranstalter mit ihren seit Jahren etablierten, und auch sehr gut bezahlten Sherpateams, schon nach einigen Wochen zum  Abbruch der Saison. Den arbeitswilligen Sherpas wurde angedroht, ihnen die Beine zu brechen und den Veranstaltern ihre Büros in Kathmandu in die Luft zu sprengen.
Vor diesem Hintergrund brachen alle Veranstalter geschlossen die Saison ab. 2015 wurde dann das Jahr der entgültigen Katastrophe mit dem großen Erdbeben und der Riesenlawine im Basislager. Auch da wurde die Saison vorzeitig abgebrochen.

Unsere Erde ist rund und dreht sich weiter. Vor obig genanntem Hintergrund blieb natürlich auch am Mt Everest nicht alles beim Alten. Die extrem instabile und teilweise korrupte Regierung in Nepal hat die Permitregelungen am Everest verändert und damit auch kleineren nepalesischen Agenturen ermöglicht, auf den Markt zu kommen. Viele winzige nepalesische Veranstalter, oder gar einzelne Sherpas, versuchen nun heuer den Mt. Everest kommerziell anzubieten. Sie drängen aggressiv mit einem "Dumpingpreis" von um die 25 - 30 000 US$ auf den Markt.
Gleichzeitig hatten die etablierten Veranstalter einige Jahre mit gehörigen Verlusten wegzustecken, und bezahlten in den vergangenen Jahren ihre Sherpateams trotz fehlender Einnahmen vom Everest.

Dies hat zur Folge, dass heuer die Preisspanne etwa zwischen 25 000 US$ für nicht geführte kleine Veranstalter und rund 80 000 US$ für westlich geführte Touren reicht. Unterstes Preislimit für einen westlichen Bergführer scheint mir heuer so um die 40 000 US$ (heuer nahezu gleich €) zu sein. Wenn man bedenkt, dass da auch die Permitgebühr mit alleine ca. 11 000 US$ pro Person, die Flüge sowie diverse Versicherungen sowie Essen, "Icefallfee" und Sauerstoff  etc, etc, auch für den Führer inkludiert sind, kann da ein westl. Führer für zwei Monate Arbeit nach westl. Maßstäben auch kaum ein adäquates Einkommen haben.

Leitern im Khumbueisbruch sind immer eine große Herausforderung

Die zahlenden Gäste müssen dabei heuer besonders aufpassen, was bei einer Buchung zum "Dumpingpreis" alles inkludiert ist, und was nicht. Oft wird es so sein, dass so manches Billigprodukt sich am Berg als gefährliche Mogelpackung erweisen wird. Irgendwie habe ich so das Gefühl, dass heuer so eine Art "Probejahr" für viele neue, vor allem kleine, Veranstalter am Berg sein wird. Vor allem unter den Sherpas könnte es heuer wieder viel Grund zu diversen Rivalitäten geben. Die "billigen" nepalesischen Veranstalter bezahlen ihren Sherpas nur rund 1000 US$ für die ganze Saison, wird koloportiert, während die großen Veranstalter um die 6000 US$ für eine Sherpa bezahlen.

Sollten wieder junge und aggressive Sherpas die Saison unterbrechen, so fürchte ich, dass vor allem bei den kleinen Teams nicht nur die Sherpas selbst, die da oftmals nicht aus der Solu Khumbu Region kommen, und darum auch "billiger"sind, sondern auch viele Gäste durch die Finger schauen werden.

Spannend wird auch die Frage des "Fixings" bzw. die Rolle der Icefall doctors im Khumbu Eisbruch sein. Üblicherweise wird das Verlegen der Fixseile in einer gemeinsamen Aktion der Veranstalter gemacht. Dies war schon in der Vergangenheit immer eine Riesendiskussion, obwohl sich weniger, dafür größere Veranstalter, die Arbeit teilten.  Wer stellt welches Material, wer welche bzw. wieviele Sherpas, welche westlichen Führer unterstützen die Sherpas usw. Vor dem Hintergrund von vielen, vielen sehr kleinen und nicht nur finanziell schwachen, sondern auch mit Ausrüstung schwachen Teams, dürfte diese Diskussion heuer besonders heikel werden.

Ein spätes Verlegen der Fixseile in den oberen Regionen des Berges, hat aber eine Verzögerung des ganzen Besteigungsablaufes zur Folge. Die große Gefahr ist dann, dass eventuell Wetterfenster verpasst werden, bzw. an den wenigen "guten Tagen" besonders viele Menschen gleichzeitig an den Fixseilen hängen. Solche Situationen benötigen dann wirklich erfahrene Leute um entschärft zu werden.

Viele werden sich nach der Lektüre der obigen Zeilen fragen, warum man den Everest "nicht einfach so" besteigen kann. Die Situation ist eben am höchsten Berg der Welt sehr speziell. Ähnlich wie am Matterhorn im Wallis, lebt eine ganze Region praktisch von diesem Berg. Hier wie dort kann man selbstverständlich die Nachteile von "Massentourismus" auf einem hohen, relativ schwierig zu besteigenden Berg, beobachten. Und hier wie dort begenet man unterschiedlichen Bergsteigern mit unterschiedlichen Kenntnissen und auch verschieden erfahrenen  Bergführern aus der ganzen Welt.

Ich hoffe, dass meine befürchteten Probleme am Mt. Everest heuer ausbleiben, die Sherpas auch in Zukunft eine Einkommensoption haben, und Führer, Gäste und Sherpas von Unfällen verschont bleiben.