Dienstag, 19. September 2017

Alpin Journal: Vorakklimatisieren - geht denn das?

Alpin Journal: Vorakklimatisieren - geht denn das?: Seit geraumer Zeit geistern immer wieder Meldungen durch die diversen Medien, dass man durch vorheriges Akklimatisieren die Länge von Bergre...

Vorakklimatisieren - geht denn das?

Seit geraumer Zeit geistern immer wieder Meldungen durch die diversen Medien, dass man durch vorheriges Akklimatisieren die Länge von Bergreisen in große Höhe verkürzen könnte.

Vor einer Elbrus Besteigung schnell noch den Großglockner besteigen, und schon stellt die Höhe kein Problem - und schon gar keine Gefahr - mehr dar. Ein paar Tage in einem Sauerstoffzelt verringern die Akklimatisierung für den Kilimandscharo auf 2 Tage - Oder: Einige Wochen in einem Sauerstoffzelt schlafen, und schon ist der Mt Everest in 3 Wochen gefahrlos zu besteigen.....
Sonnenaufgang am höchsten Punkte der Welt
Pause mit dem Makalu im Hintergrund

Was ist da los? Hat sich die Physiologie der Menschen kurzerhand geändert? Oder waren alle, die sich wochenlang seriös auf ihre Expeditionen vorbereitet haben tatsächlich so unerfahren?

Jahrzehntelange Erfahrung mit Gästen in großen Höhen, ja sogar auf vier Expeditionen zum Mt. Everest, haben mich eines gelehrt: Du kannst deinen Körper niemals überlisten. Man benötigt ganz einfach - je nach Veranlagung - für eine Schlafhöhe über 3000 m, pro 1000 Höhenmeter eine Woche Zeit. Also um auf 5000 m  entspannt zu schlafen, ca. zwei Wochen Zeit. Ich selbst machte anläßlich meiner dritten Mt. Everestexpedition die Erfahrung, dass es mir umso besser - auch später in sehr großer Höhe - gegangen ist, je länger und sorgfältiger ich mich zwischen 3000 und 5000 m Höhe akklimatisiert habe. Damals sogar 12 Tage alleine in dieser Höhenlage.

Eine uralte Erfahrung unter Höhenbergsteigern ist, dass die einmal gemachte Akklimatisierung rund so lange Zeit anhält, wie man in der Höhe verbracht hat. Wenn ich also eine Woche durchgehend in großer Höhe verbracht habe, so hält dieser Zustand rund eine Woche an.
Hochlager am Cho Oyu

Wie in so vielen anderen Bereichen unserer modernen Gesellschaft ist (leider) auch in der Medizin die "Geschäftemacherei" angekommen. Und offenbar nicht nur in der Pharmabranche. Diverse "Höhenmediziner" bieten um teure Euro solche "Vorakklimatisierungen" an. Vergleicht man aber die Daten von seriösen medizinischen Studien - etwa Krebserkrankungen - so haben diese meist einige
hunderttausend Probanden. Daraus lassen sich dann relativ repräsentative Rückschlüsse auf den durchschnittlichen Menschen machen. Im Vergleich dazu gibt es bei höhenmedizinischen Tests meistens nur einige -zig Probanden. Meiner laienhaften Meinung nach, bzw. mein Hausverstand sagt mir, dass daraus noch keine wirklichen Rückschlüsse für die Allgemeinheit möglich sind.

Es gibt von Franzosen ein interessantes Projekt, wonach eine noch viel langsamere Akklimatisierung, als derzeit allgemein üblich, eine deutlich bessere Performance in extremer Höhe liefert.

Meiner Meinung nach ist die eigene Erfahrung und das Kennenlernen der eigenen körperlichen Reaktionen in der Höhe unumgänglich, will man seriös auf hohe Berge steigen und gesund wieder heimkommen.

Es gibt eben einfach keine Abkürzung zum Gipfel.

Auf der anderen Seite ist aber auch die Tatsache nicht wegzuleugnen, dass man sich leichter an die Höhe gewöhnen kann, wenn man diesen Prozess des Akklimatisierens öfter durchgemacht hat. Ein Hinweis darauf ist vielleicht auch, dass sich oft ältere Bergsteiger wesentlich leichter akklimatisieren als junge. Man kennt die eigenen Reaktionen und man lernt etwa mit der Tatsache des schlechten Schlafens besser umzugehen. In den letzten Jahren sind viele Bergsteiger immer häufiger innerhalb eines Jahres öfters über Wochen über 5000 Meter unterwegs. Natürlich kann man dann mental mit den Symptomen der Höhenanpassung besser umgehen, als wenn man nur einmal in einigen Jahren so hoch oben lebt.

Entgegen meinem Rat hat einer meiner Gäste vom Mt. Everest wochenlang vor der Expedition Zuhause in einem luftdichten "Höhensimulationszelt" geschlafen. Er wollte einfach perfekt vorbereitet auf die zwei monatige Expedition gehen. Untertags ist er aber ganz normal in seinem Alltag und Job gestanden. Die Erfahrung hat dann aber am Berg gezeigt, dass es ihm in der extremen Höhe der Hochlager um nichts besser gegangen ist, als den anderen Teilnehmern.

Ich denke, dass jeder seriöse Bergführer, der mit seinen Gästen in extreme Höhen steigt, diese nach besten Wissen und Gewissen beraten wird. Dazu gehört allerdings auch, dass man ungeeignete Teilnehmer ablehnt, bzw. einer entsprechenden Vorbereitung unterzieht und Bergreisen bzw. Expeditionen realistisch plant. Für potentielle Teilnehmer ist es aber auch in einer digitalisierten Welt  immer schwerer geworden, seriöse Veranstalter von solchen zu unterscheiden, die sich nur krampfhaft von der "Konkurrenz" unterscheiden wollen.




Donnerstag, 7. September 2017

Alpingeschichte und der Tod von Armando Aste

Eigentlich handelt es sich um einen doppelt traurigen Anlaß diesen Blog zu schreiben: Armando Aste, einer der ganz großen Kletterer aus der Zeit der "wilden 60 er Jahre" ist mit - immerhin - 92 Jahren gestorben. Und auf der anderen Seite hat heute kaum jemand eine Ahnung von alpinhistorischen Ereignissen und wichtigen Persönlichkeiten. So sehr der Klettersport boomt, so sehr vermisse ich auch eine intensive Beschäftigung vieler mit der Materie.
Armando Aste in Aktion

"Armando wer?" keinen Menschen ist der Name Aste heute ein Begriff! Weder ein Durchschnittskletterer und schon gar nicht ein Durchschnittsmensch auf der Straße kann mit dem Namen eines der besten Kletterer seiner Zeit etwas Anfangen. Und das finde ich traurig. Ich vertrete dabei eine heute als vielleicht sehr altmodische Meinung, aber immhin hat der Mann einige der berühmtesten Solos hingelegt (Franzosenführe an der Westl. Zinne Nordwand  um nur eine zu nennen), und mit der Via d l ideale an der Marmolada Südwand einen der ganz großen Dolomitenklassiker Erstbegangen. Nicht zu vergessen die Aste - Susatti Route in der Wand der Wände, der Civetta Nordwestwand. Die Route weist auch heute noch einen Schwierigkeitsgrad von VI + A 0 recht anhaltend und schwierig abzusichern auf.
International wurde Armando Aste durch zwei Abenteuer beaknnt. Er war mit seinen Freunden die erste italienische Seilschaft, der eine Besteigung der Eiger N- Wand glückte (1962) und er konnte mit seinem Team den südlichen Paine Turm in der Torres del Paine Gruppe im  chilenischen Teil Patagoniens Erstbesteigen. Dies war sicher einer der Meilensteine in dieser entlegenen Region.


Mein erster Kontakt mit dem Namen Aste war anläßlich einer unserer ersten Dolomitenfahrten. Es war irgendwann so Anfang der 80 er Jahre, stundenlang hatten wir im Kletterführer geschmökert und die Via del Ideale an der Marmolada zu unserem Ziel auserkoren. Unter Klettereren, vor allem den damals führenden Proponenten , galt diese Tour als Testpiece und perfekte Vorbereitung auf die damals modernen Extremtouren a la "Moderne Zeiten".

immerhin heute ca. 7

Als nicht so ideal fanden wir den bereits von weitem sichtbaren braunen Streifen, der direkt unter der Seilbahnstation vertikal genau in die ideale Kletterlinie unserer  geplanten Route verlief. Es wird doch nicht genau das WC der Seilbahn sein, das sich da am Beginn des besagten Streifens befindet....
So hatte eine "Errungenschaft der Technik", als das man eine Seilbahn ja auch sehen kann, eine Errungenschaft des Abenteuers - zumindest im oberen Teil entwertet. Mittlerweile hat sich eine Variante der Route durchgesetzt, bei der man neben dem unangenehmen braunen Streifen auch den unangenehmen Kamin der letzten Seillängen auf einem wunderbaren Pfeiler daneben umgeht.

Wir waren damals froh, dass wir lange in unseren Schlafsäcken auf der Plattform einer alten Stellung aus dem 1. Weltkrieg sitzen bleiben konnten, da es am nächsten Morgen in strömen Schüttete. Die Via del Ideale sind wir dann doch nicht geklettert, auch nicht mit der Umgehungsvariante im oberen Teil. Dafür gönnten wir uns einige Wochen später gleich die "Modernen Zeiten", aber das ist eine andere Geschichte.