Montag, 13. November 2017

Alpin Journal: "Stop or Go" - eine Entscheidungsstrategie von ges...

Alpin Journal: "Stop or Go" - eine Entscheidungsstrategie von ges...: Auf der Suche nach dem Königsweg der "Lawinenentscheidung" - Gedanken zur Podiumsdiskussion bei der Alpinmesse in Innsbruck Mi...

"Stop or Go" - eine Entscheidungsstrategie von gestern?



Auf der Suche nach dem Königsweg der "Lawinenentscheidung" - Gedanken zur Podiumsdiskussion bei der Alpinmesse in Innsbruck

Mit Stefan Beulke, Jurist und Berg- und Skiführer aus Deutschland, sowie Jürg Schweizer vom SLF in Davos war diese Diskussion hervorragend besetzt. Dazu kamen noch die bekannten Vertreter von den Naturfreunden Martin Edlinger und dem ÖAV Michael Larcher, sowie von den Skilehrern Markus Kogler und als Profi Bergführer Michi Andres -  klar war meine Erwartung in die Veranstaltung hoch gesteckt, zumal sie von einem ausgezeichneten Profi, Peter Plattner, moderiert wurde.

Windspiele im Gosaukamm - einem Paradies für Freerider

Stefan Beulke wies in seinem Eröffnungsstatement darauf hin, dass er im Zuge einer Recherche sage und schreibe 26 verschiedene Methoden bzw. Strategien zur Entscheidungshilfe in Punkto Lawine gefunden habe.

Peter Plattner setzte darauf als Ziel der Veranstaltung fest, die Frage zu beantworten, ob es unter den Experten eine gemeinsame Basis zur Entscheidungshilfe gäbe, oder eben nicht. Zitat: "Der Diskurs, ob der probabilistische, analytische oder intuitive Ansatz zu den besten Entscheidungen führt, wird je nach Land, Ausbildungsorganisation und vorherrschender Lehrmeinung sehr kontrovers geführt."


Der aufmerksame Leser merkt hier sofort, die Alpinwissenschafter bzw. Experten in Innsbruck wissen sich für jederman "leicht verständlich" auszudrücken.

Hier eine Übersetzung für Bergsteiger, die nicht der Gilde der "Alpinwissenschafter" angehören:
probabilistisch - wahrscheinlich;  analytisch - zerlegend, rational; intuitiv - Entscheiden ohne bewusster Schlussfolgerung, aus dem Unterbewusstsein.

Klarerweise drehte sich die Diskussion im Wesentlichen dann darum, dass jeder Vertreter seine Methode beschrieb und auch verteidigte. Für mich war auch sehr interessant, wie der eine oder andere Diskutant mit etwaiger Kritik umgehen konnte oder eben nicht!

Für mich neu war allerdings die Tatsache, dass Jürg Schweizer - d e r  Lawinenprognoseexperte schlechthin vom SLF Davos, öffentlich bestätigte, dass eine Beurteilung eines einzelnen Hanges mit dem Lawinenlagebericht n i c h t möglich sei.


Wenn man dann noch in Betracht zieht, dass 25% aller Lawinenlageberichte falsch sind, so ist es kein großer Schritt zur Tatsache, dass Methoden, die als "Input" den Lawinenlagebericht bzw. die Gefahrenstufe haben, als "Output" keine besseren Ergebnisse liefern können.

Wie sinnvoll ist es dann, eine Strategie anzuwenden, die als wesentlichen Input die Warnstufe aus dem Lawinenlagebericht hat?

Wir haben also auf der einen Seite die breite Masse der mehr oder weniger durchschnittlichen Anwender bzw. Tourengeher die nach einer einfachen ja/nein Strategie lechzen, und auf der anderen Seite einige wenige "Experten", die sich uneinig über die eine oder ander Methode zur Entscheidungsfindung sind. Dahinter stehen dann noch die Leute die die Lawinenberichte und Warnstufen erstellen, und die davor warnen, den Lawinenlagebericht als absolute Grundlage für Entscheidungen zu nehmen.
Tourenplanung im Wohnzimmer, am besten mit Fernglas

Es entstand in der Vergangenheit zunehmend das Problem, dass sämtlich Methoden dem durchschnittlichen Anwender suggerieren, dass man die Lawinengefahr genau berechnen oder einstufen könne. Mit der Grundlage der jeweiligen Warnstufe und exakten dazu passenden Verhaltensregeln wird dieses Gefühl sogar noch verstärkt. Es scheint mir, dass diese Entwicklung ausbildungstechnisch in einer Sackgasse gemündet hat! (Holzweg)

Bei gleichzeitiger Warnung von Experten, dass es "nix genaues gibt", führt das zunehmend zu einer Verunsicherung aller Anwender. Die Erfinder der einen oder anderen Entscheidungsstrategie verteidigen ihre eigene oder verteufeln andere Stratgien und agieren zunehmend an ihrer Zielgruppe, dem durchschnittlichen Bergsteiger vorbei. Stichwort: Fremdwörter Orgie!


Zwischen Lawinenlagebericht und Anwender werden also Vehikel der Entscheidungsstrategie zwischengeschaltet (Snow Card, Stop or go usw.), die eine falsche Entscheidungs - Sicherheit suggerieren. Spricht man mit den Leuten von den Lawienenwarndiensten, so bekommt man rasch die Bestätigung, dass eine Lawinen Prognose (Lawinenlagebericht) wesentlich schwieriger zu erstellen ist, daher auch viel ungenauer,  als etwa ein Wetterbericht.

Niemand würde auf die Idee kommen, auf Grundlage des Wetterberichts eine Strategie zu entwickeln, die dann mehr oder weniger bindend die Entscheidung suggeriert ob man nun "stoppt oder doch weitergeht". Jedem ist sofort klar, dass der Wetterbericht nur eine grobe Planungshilfe ist, und kleinräumig selbstverständlich stimmen kann - oder eben auch nicht. Dass man eben selbst seine Nase in den Wind halten muss, um zu sehen, was draussen in der Natur los ist.

Was heisst das jetzt zusammengefasst? Ich hatte den Eindruck, dass die Lawinenexperten, die den Lawinenlagebericht erstellen, nicht wirklich mit der Entwicklung glücklich sind, dass ihr Lawinenlagebericht bzw. die prognostizierte Stufe, immer mehr als "Maß der Dinge" gilt.

Mit der öffentlich festgestellten These, dass eine Prognose für den Einzelhang nicht möglich ist, dazu die Tatsache, dass jeder 4. Lagebericht sowieso falsch ist, sind für mich sämtliche Entscheidungs - Strategien, die mit der Grundlage Lawinenlagebericht arbeiten, hinfällig geworden.

Um über Fachintuition zuverlässige Entscheidungen fällen zu können, muss man sich rund 10 Jahre hauptberuflich mit einer Materie befassen. Da wir nur im Winter Skitouren gehen können, heisst das mindestens 20 Jahre unterwegs sein, und das hauptberuflich. Erst dann hat man den nötigen "input" im Gehirn um die Muster der "Faustregeln", mittels derer solche Entscheidungen funktionieren, auch abrufen zu können.  Damit scheidet diese Methode für durchschnittliche Anwender von vornherein aus.

Einschränkend vielleicht, dass die eine oder andere Methode als Planungsgrundlage sicherlich ihren Nutzen beweist. Der Lawinenlagebericht hat natürlich nach wie vor  für mich einen sehr wichtigen Stellenwert, aber in etwa selbigen, wie der Wetterbericht für Bergtouren im Sommer.

Unsere Erde ist rund und sie dreht sich weiter. Was gestern der neueste Schrei war, kann sich vielleicht etablieren, aber ebenso von der wissenschaftlichen Entwicklung überholt werden. Man denke nur etwa an die Entwicklung von Handys. Wie schnell die ersten Modelle überholt waren und zum Beispiel Nokia praktisch vom Markt verschwand.

Ich glaube, dass in Zukunft Strategien entwickelt werden, die unabhängig vom jeweiligen Lawinenlagebericht vom Anwender als Einschätzhilfe angewandt werden können. Sie sollten aber jedem klar machen, dass es sich eben um ein Schätzverfahren mit Restrisiko handelt und nicht um eine klare Warnstufe oder gar um eine "Risikoampel". Wer halbwegs sicher im winterlichen Gebirge unterwegs sein will, kommt um eine umfassende Ausbildung und Beschäftigung mit der komplizierten Materie der Schnee- und Lawinenkunde also so oder so nicht herum.

Das große Abenteuer "Winter in der Natur" wird auch in Zukunft nur mit einer gewissen Risikotoleranz möglich sein - und ich finde das ist gut so!



Dienstag, 10. Oktober 2017

Alpin Journal: Francek Knez - oder Gedanken zum Tod eines der l...

Alpin Journal: Francek Knez - oder Gedanken zum Tod eines der l...: Wer war nun Francek Knez? "Knez wer?", höre ich einen Freund von mir sagen. Mein Freund, ist so ein typischer "Athleten Kle...

Francek Knez - oder Gedanken zum Tod eines der letzten "Helden der Berge"

Wer war nun Francek Knez?

"Knez wer?", höre ich einen Freund von mir sagen. Mein Freund, ist so ein typischer "Athleten Kletterer", groß geworden in einer der wie Schwammerl aus dem Boden schießenden Kletterhallen. Mit "Abenteuer Klettern", oder dem "großen Bergsteigen" hat er laut Eigenaussage nicht viel am Hut. Geklettert wird heute in viel höheren Schwierigkeitsgraden, von blitzenden Bolt zu Bolt, völlig ohne Angst und Abenteuer.

Und anstatt - wie ich - Erlebnis Literatur über wilde Bergtouren und Erstbegehungen zu verschlingen, wird intensiv nach den neuesten Trainingsapps gegoogelt und diese dann am Smartphone installiert.

Ist es ein Generationsunterschied? Oder wurde die "Alpine Heldenliteratur" auch früher eher selten verschlungen, und bin ich mit meinem Interesse daran eine eherne Ausnahme, ein exotisches Faktotum so zu sagen?
Anica Kuk

Meinen ersten Kontakt mit dem Namen des slowenischen Bergsteigers hatte ich Anfang der Achtziger Jahre. Die steirische Bergsteigerszene war damals recht viel im "yugoslawischen Yosemite", der Schlucht des Paklenica Nationalparks im kroatischen Velebitgebirge, unterwegs. Man konnte schon damals hier die Saison verlängern und Klettern an einem unvergleichlichen Fels mit dem Meer kombinieren.
Knez in einem patagonischen Sturm

Kaca, die Schlange, heisst die Route, die heute mit 6a + (entspricht ca. VII -) bewertet wird. In unseren Topos von damals war die Route jedoch mit V+ bewertet. Sie zieht durch den rechten Teil der NW Wand am Anica Kuk, dem größten Gipfel der Region, immerhin rund 350 m hoch. Selbst mit dem damaligen Kletterstil, sich an allem und jedem fest zu halten bevor man "abging", ist uns die Route enorm schwer gefallen. Klar, es gab in dem Gebiet noch keine Bohrhaken und die paar Schlaghaken die es gab, waren vom Rost in einzelne hauchdünne Schichten zerfressen, würden einem Sturz also kaum widerstehen. Und ein Blick auf die messerscharfen Felskanten an jeder Ecke vertrieb automatisch jegliche Risikobereitschaft. Mit Keilen, Schlingen, Hexentrics und Schnüren kämpften wir uns irgendwie höher. Wenn das V+ sein soll.....Knez eben.

Später (1988), wir waren mittlerweile schon in Patagonien klettern, begegnte mir der Name Knez während meiner Vorbereitungen zu einem Klettertrip zum Cerro Torre. Der Name Knez stand 1983 in Verbindung mit der Erstbegehung der Route Devils Dihedral am Fitz Roy, 1986 dann mit der Direttissima an der Cerro Torre Ost- Wand und im Herbst 1986 gelang Knez mit der Route Psycho Vertical am Torre Egger ein absolutes Highlight des internationalen Bergsteigens. Diese Route wurde erst 2016, also genau 30 Jahre später, wiederholt. Logischerweise haben "Knez Routen" mittlerweile einen entsprechenden Nimbus rund um die Welt bekommen.

Zwischenzeitlich hat Francek Knez noch eine Neutour durch den östlichen Teil der Eiger Nordwand gemacht und noch vor Thomas Bubendorfer einen Speed Rekord in rund 6 Stunden durch die klassische Heckmaier Route aufgestellt. Neben der Neutour am Eiger gelangen Knez noch weitere Erstbegehungen an allen drei großen Gipfeln der Alpen, dem Matterhorn und der Grand Jorasses.
Selbstverständlich gibt es auch in den Dolomiten, von Tofana über Marmolada bis zu den Drei Zinnen "Knez Touren".

In seinen heimatlichen Bergen in Slovenien hinterließ der emsige Neuerschließer hunderte Erstbegehungen. Neben den großen Felsrouten und kombinierten Touren zog es Francek Knez auch in die hohen Berge des Himalaja und Karakorum.
Nameless Tower, Pakistan

Unvergessen ist die gewaltige Linie der Slowenenführe durch die Südostwand  am Nameless Tower (ca. 6200m) im Karakorum. Ein Jahr nach der Erstbegehung wurde diese Route von den Deutschen Wolfgang Güllich und Kurt Albert frei geklettert und 7 a + bewertet.....
Zwei ähnliche Routen gelangen Francek Knez mit seinen Freunden auch im indischen Garhwal Himalaja und auch am Bagirathi II

Die meisten Routen bzw. Expeditionen unternahm Franzek Knez mit seinen Freunden Silvo Karo und Janez Jeglic.

in Bildmitte Mt Everest, der Westgrat im Zentrum zum Betrachter

1979 dann die Teilnahme an einer Mt. Everest Expedition. Es handelt sich hier um jene Expedition, bei der der gesamte direkte Westgrat des Mt. Everests erstbegangen wurde. Wenn man das Gelände vom Basislager über den Lo La Pass hinauf zur Westschulter des Mt. Everest jemals persönlich begutachten konnte, so kann man die Leistung dieser Expedition in bergsteigerischer und logistischer Hinsicht erst richtig einschätzen. Knez war allerdings nicht Teil der Gipfelmannschaft.
1981 dann nahm Franzek Knez an der Lhotse Expedition teil, der der eigentliche erste Durchstieg durch die gewaltige Lhotse Südwand gelang. Die Expedition erreichte zwar den Grat, aber nicht den Lhotse Gipfel. Neben dem Kantsch (Gipfel) gelang es ihm noch am Broad Peak bis 7500m und am Cho Oyu bis 7700 m zu kommen.

Der emsige Erstbegeher (730 Routen um genau zu sein!) Knez hinterließ auch in Peru und im kalifornischen Yosemite seine Spuren.

Eigentlich ist es völlig unverständlich, dass ein derartig erfolgreicher Bergsteiger in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist. Nicht umsonst nannte man den Slowenen auch der "Stille Bergsteiger". Umso bemerkenswerter erscheint es für mich, dass dieser so aktive Mensch noch seinen Beruf in einer Fabrik nachgegangen ist und daneben noch Zeit für so viele Bergtouren und natürlich auch Trainingseinheiten finden konnte.

Die genauen Umstände seines Todes sind nicht bekannt. Aber er dürfte 25 m abgestürzt sein......

Dies macht mich sehr, sehr nachdenklich. Zweifellos war Knez einer der besten Bergsteiger aller Zeiten. Für mich gehört Bergsteigen und Abenteuer zusammen und damit natürlich auch eine gewissen Risikobereitschaft. Mit dem Alter und der Erfahrung - so sollte man Meinen - bewahrt einen eben diese Erfahrung vor fatalen Ereignissen. Verschiedene Vorfälle bzw. Unfälle von sehr erfahrenen Bergsteigern, ja sogar Profis, in den letzten Jahren haben aber gezeigt, dass man einfach immer aufpassen muss.









Dienstag, 19. September 2017

Alpin Journal: Vorakklimatisieren - geht denn das?

Alpin Journal: Vorakklimatisieren - geht denn das?: Seit geraumer Zeit geistern immer wieder Meldungen durch die diversen Medien, dass man durch vorheriges Akklimatisieren die Länge von Bergre...

Vorakklimatisieren - geht denn das?

Seit geraumer Zeit geistern immer wieder Meldungen durch die diversen Medien, dass man durch vorheriges Akklimatisieren die Länge von Bergreisen in große Höhe verkürzen könnte.

Vor einer Elbrus Besteigung schnell noch den Großglockner besteigen, und schon stellt die Höhe kein Problem - und schon gar keine Gefahr - mehr dar. Ein paar Tage in einem Sauerstoffzelt verringern die Akklimatisierung für den Kilimandscharo auf 2 Tage - Oder: Einige Wochen in einem Sauerstoffzelt schlafen, und schon ist der Mt Everest in 3 Wochen gefahrlos zu besteigen.....
Sonnenaufgang am höchsten Punkte der Welt
Pause mit dem Makalu im Hintergrund

Was ist da los? Hat sich die Physiologie der Menschen kurzerhand geändert? Oder waren alle, die sich wochenlang seriös auf ihre Expeditionen vorbereitet haben tatsächlich so unerfahren?

Jahrzehntelange Erfahrung mit Gästen in großen Höhen, ja sogar auf vier Expeditionen zum Mt. Everest, haben mich eines gelehrt: Du kannst deinen Körper niemals überlisten. Man benötigt ganz einfach - je nach Veranlagung - für eine Schlafhöhe über 3000 m, pro 1000 Höhenmeter eine Woche Zeit. Also um auf 5000 m  entspannt zu schlafen, ca. zwei Wochen Zeit. Ich selbst machte anläßlich meiner dritten Mt. Everestexpedition die Erfahrung, dass es mir umso besser - auch später in sehr großer Höhe - gegangen ist, je länger und sorgfältiger ich mich zwischen 3000 und 5000 m Höhe akklimatisiert habe. Damals sogar 12 Tage alleine in dieser Höhenlage.

Eine uralte Erfahrung unter Höhenbergsteigern ist, dass die einmal gemachte Akklimatisierung rund so lange Zeit anhält, wie man in der Höhe verbracht hat. Wenn ich also eine Woche durchgehend in großer Höhe verbracht habe, so hält dieser Zustand rund eine Woche an.
Hochlager am Cho Oyu

Wie in so vielen anderen Bereichen unserer modernen Gesellschaft ist (leider) auch in der Medizin die "Geschäftemacherei" angekommen. Und offenbar nicht nur in der Pharmabranche. Diverse "Höhenmediziner" bieten um teure Euro solche "Vorakklimatisierungen" an. Vergleicht man aber die Daten von seriösen medizinischen Studien - etwa Krebserkrankungen - so haben diese meist einige
hunderttausend Probanden. Daraus lassen sich dann relativ repräsentative Rückschlüsse auf den durchschnittlichen Menschen machen. Im Vergleich dazu gibt es bei höhenmedizinischen Tests meistens nur einige -zig Probanden. Meiner laienhaften Meinung nach, bzw. mein Hausverstand sagt mir, dass daraus noch keine wirklichen Rückschlüsse für die Allgemeinheit möglich sind.

Es gibt von Franzosen ein interessantes Projekt, wonach eine noch viel langsamere Akklimatisierung, als derzeit allgemein üblich, eine deutlich bessere Performance in extremer Höhe liefert.

Meiner Meinung nach ist die eigene Erfahrung und das Kennenlernen der eigenen körperlichen Reaktionen in der Höhe unumgänglich, will man seriös auf hohe Berge steigen und gesund wieder heimkommen.

Es gibt eben einfach keine Abkürzung zum Gipfel.

Auf der anderen Seite ist aber auch die Tatsache nicht wegzuleugnen, dass man sich leichter an die Höhe gewöhnen kann, wenn man diesen Prozess des Akklimatisierens öfter durchgemacht hat. Ein Hinweis darauf ist vielleicht auch, dass sich oft ältere Bergsteiger wesentlich leichter akklimatisieren als junge. Man kennt die eigenen Reaktionen und man lernt etwa mit der Tatsache des schlechten Schlafens besser umzugehen. In den letzten Jahren sind viele Bergsteiger immer häufiger innerhalb eines Jahres öfters über Wochen über 5000 Meter unterwegs. Natürlich kann man dann mental mit den Symptomen der Höhenanpassung besser umgehen, als wenn man nur einmal in einigen Jahren so hoch oben lebt.

Entgegen meinem Rat hat einer meiner Gäste vom Mt. Everest wochenlang vor der Expedition Zuhause in einem luftdichten "Höhensimulationszelt" geschlafen. Er wollte einfach perfekt vorbereitet auf die zwei monatige Expedition gehen. Untertags ist er aber ganz normal in seinem Alltag und Job gestanden. Die Erfahrung hat dann aber am Berg gezeigt, dass es ihm in der extremen Höhe der Hochlager um nichts besser gegangen ist, als den anderen Teilnehmern.

Ich denke, dass jeder seriöse Bergführer, der mit seinen Gästen in extreme Höhen steigt, diese nach besten Wissen und Gewissen beraten wird. Dazu gehört allerdings auch, dass man ungeeignete Teilnehmer ablehnt, bzw. einer entsprechenden Vorbereitung unterzieht und Bergreisen bzw. Expeditionen realistisch plant. Für potentielle Teilnehmer ist es aber auch in einer digitalisierten Welt  immer schwerer geworden, seriöse Veranstalter von solchen zu unterscheiden, die sich nur krampfhaft von der "Konkurrenz" unterscheiden wollen.




Donnerstag, 7. September 2017

Alpingeschichte und der Tod von Armando Aste

Eigentlich handelt es sich um einen doppelt traurigen Anlaß diesen Blog zu schreiben: Armando Aste, einer der ganz großen Kletterer aus der Zeit der "wilden 60 er Jahre" ist mit - immerhin - 92 Jahren gestorben. Und auf der anderen Seite hat heute kaum jemand eine Ahnung von alpinhistorischen Ereignissen und wichtigen Persönlichkeiten. So sehr der Klettersport boomt, so sehr vermisse ich auch eine intensive Beschäftigung vieler mit der Materie.
Armando Aste in Aktion

"Armando wer?" keinen Menschen ist der Name Aste heute ein Begriff! Weder ein Durchschnittskletterer und schon gar nicht ein Durchschnittsmensch auf der Straße kann mit dem Namen eines der besten Kletterer seiner Zeit etwas Anfangen. Und das finde ich traurig. Ich vertrete dabei eine heute als vielleicht sehr altmodische Meinung, aber immhin hat der Mann einige der berühmtesten Solos hingelegt (Franzosenführe an der Westl. Zinne Nordwand  um nur eine zu nennen), und mit der Via d l ideale an der Marmolada Südwand einen der ganz großen Dolomitenklassiker Erstbegangen. Nicht zu vergessen die Aste - Susatti Route in der Wand der Wände, der Civetta Nordwestwand. Die Route weist auch heute noch einen Schwierigkeitsgrad von VI + A 0 recht anhaltend und schwierig abzusichern auf.
International wurde Armando Aste durch zwei Abenteuer beaknnt. Er war mit seinen Freunden die erste italienische Seilschaft, der eine Besteigung der Eiger N- Wand glückte (1962) und er konnte mit seinem Team den südlichen Paine Turm in der Torres del Paine Gruppe im  chilenischen Teil Patagoniens Erstbesteigen. Dies war sicher einer der Meilensteine in dieser entlegenen Region.


Mein erster Kontakt mit dem Namen Aste war anläßlich einer unserer ersten Dolomitenfahrten. Es war irgendwann so Anfang der 80 er Jahre, stundenlang hatten wir im Kletterführer geschmökert und die Via del Ideale an der Marmolada zu unserem Ziel auserkoren. Unter Klettereren, vor allem den damals führenden Proponenten , galt diese Tour als Testpiece und perfekte Vorbereitung auf die damals modernen Extremtouren a la "Moderne Zeiten".

immerhin heute ca. 7

Als nicht so ideal fanden wir den bereits von weitem sichtbaren braunen Streifen, der direkt unter der Seilbahnstation vertikal genau in die ideale Kletterlinie unserer  geplanten Route verlief. Es wird doch nicht genau das WC der Seilbahn sein, das sich da am Beginn des besagten Streifens befindet....
So hatte eine "Errungenschaft der Technik", als das man eine Seilbahn ja auch sehen kann, eine Errungenschaft des Abenteuers - zumindest im oberen Teil entwertet. Mittlerweile hat sich eine Variante der Route durchgesetzt, bei der man neben dem unangenehmen braunen Streifen auch den unangenehmen Kamin der letzten Seillängen auf einem wunderbaren Pfeiler daneben umgeht.

Wir waren damals froh, dass wir lange in unseren Schlafsäcken auf der Plattform einer alten Stellung aus dem 1. Weltkrieg sitzen bleiben konnten, da es am nächsten Morgen in strömen Schüttete. Die Via del Ideale sind wir dann doch nicht geklettert, auch nicht mit der Umgehungsvariante im oberen Teil. Dafür gönnten wir uns einige Wochen später gleich die "Modernen Zeiten", aber das ist eine andere Geschichte.


Sonntag, 20. August 2017

Alpin Journal: Von der Schwierigkeit den Begriff der "Freiheit" f...

Alpin Journal: Von der Schwierigkeit den Begriff der "Freiheit" f...: Seit es Bergsteiger gibt, ist die Freiheit in den Bergen ein ganz wesentlicher Aspekt bei unser aller liebster Beschäftigung. In den Be...

Von der Schwierigkeit den Begriff der "Freiheit" für das Bergsteigen zu erhalten


Seit es Bergsteiger gibt, ist die Freiheit in den Bergen ein ganz wesentlicher Aspekt bei unser aller liebster Beschäftigung. In den Bergen läßt man den Alltag, die Probleme und Sorgen hinter sich. Viele Menschen sind einfach nur glücklich, sich mit gleichgesinnten Menschen in der freien Natur zu bewegen und zu unterhalten. Ich persönlich schätze solche Unterhaltungen sehr, komme ich da doch als professioneller Bergführer immer wieder mit Menschen auf einer Ebene ins Gespräch, wie man es im normalen Alltag niemals könnte.

Eisbouldern in Tibet
Die Grenzen der Freiheit, so sagt man, liegen dort, wo man durch seine Tätigkeit oder Äußerung andere Menschen eingrenzt, oder salopp formuliert, ihnen auf die Füße tritt.

Aufgrund zweier Unfälle im Mt. Blanc Gebiet haben nun die örtlichen Kommunalbehörden eine verpflichtende Ausrüstungsliste für Bergsteiger am Mt. Blanc erlassen. Dabei handelt es sich vordergründig um eine Maßnahme zur Erhöhung der Sicherheit am höchsten Berg der Alpen. Gleichzeitig selbstverständlich eine Bevormundung und damit massive Einschränkung  der persönlichen Freiheit. Manche - vor allem routinierte Bergsteiger - fordern da vehement einen Stopp der Reglementierung. Wo soll man die Grenze ziehen, welche behördlichen Auflagen wann sinnvoll erscheinen bzw. wann sie als Schikanen, Behörden Willkür und Einschränkungen aufgefasst werden?

Draussen sein, für viele Menschen bedeutet das Freiheit pur
Sollte aber am Berg jeder das Recht haben so unterwegs zu sein, wie er es eben für richtig hält und damit letztendlich weniger routinierte Bergsteiger das Recht haben, sich so umzubringen wie sie es selbst möchten.

Konsequenterweise wäre zweiteres eben der Preis für die Freiheit am Berg! Gleichzeitig ist ja auch von jedem Bergsteiger eine starke Eigenverantwortung gefragt. Schon Paul Preuss hat mit seinem Motto "Das Können ist des Dürfens Maß" eine Lanze für freies Bergsteigen unter entsprechender  Eigenverantwortung gebrochen.

Auch ich lehne solche behördlichen Maßregelungen beim Bergsteigen entschieden ab. Neben oben genannten Gründen denke ich auch noch an die Kontrolle solcher Regeln. Polizeiliche Kontrolle der Ausrüstung im Rucksack wäre wohl der absolute Horror des freien Bergsteigers. - Und wo würde man dann eine Grenze Ziehen? Bald würden dann noch staatliche Stellen entscheiden, wer welche Tour wann machen darf........

Ich kann mich also Kilian Journet nur bei seinem Protest gegen solche staatlichen Angriffe auf das Bergsteigen anschließen!

ABER, ich habe oben schon erwähnt, dass für das "Funktionieren" des Models "Freiheit" eine große Portion Selbstverantwortung notwendig ist. Das geht aber nur mit einer richtigen Selbsteinschätzung des Eigenkönnens bzw. entsprechender Erfahrung für die Tourenplanung. Häufig reicht es aus, schlicht und einfach seinen Hausverstand vernünftig einzusetzen.

Eines der beiden Opfer am Mt. Blanc, die das Handeln der Behörden in Frankreich auslösten, war ein "Trailrunner". Diese Sportart boomt in letzter Zeit immer mehr, wobei die Akteure in leichter Laufausrüstung auf Berge rennen. Das funktioniert bis in mittlere Höhen prächtig und bietet auch unglaublich tolle Erlebnisse.

Die Stars der Szene exerzieren aber da ganz andere Kaliber an Touren vor. Besagter Kilian Jornet läuft regelmäßig auf bzw. über den Mt. Blanc, ich konnte ihn live erleben, als er in einer unglaublichen Zeit den Aconcagua erlaufen hat. In der vergangenen Saison ist es ihm sogar geglückt innerhalb einer Woche zwei Mal auf den Mt. Everest zu laufen.
 hier der link zu seinem Protest gegen die "behördliche Ausrüstungsliste":

http://france3-regions.francetvinfo.fr/auvergne-rhone-alpes/haute-savoie/materiel-obligatoire-ascension-du-mont-blanc-humour-ravageur-du-trailer-kilian-jornet-1313383.html

Solche Ausnahmekönner und absolute Vollprofis sollte man sich aber ja n i c h t als Vorbild nehmen. Es ist eben ein riesen Unterschied, auf 4.500m am Dome de Gouter etwa, in Laufausrüstung völlig verschwitzt, in einen Wettersturz zu geraten, oder am gegenüberliegenden Grand Balcon, auf knapp 1.600m.

Aber selbst Profis wie Kilian Jornet und seine Partnerin Emelie Forsberg sind ja vor Fehleinschätzungen nicht gefeit. So musste er mit ihr vor einigen Jahren aus dem Frendo Pfeiler von der Bergrettung geborgen werden. Immerhin eine 1.200m lange kombinierte Westalpentour die auf der Aig. du Midi  auf rund 3.700m endet. Ein Wettersturz hatte die beiden überrascht, und sie waren mit ihrer besseren Laufausrüstung nicht entsprechend ausgerüstet.

Fehleinschätzungen und daraus resultierende Notsituationen wird man auch mit den strengsten Auflagen nicht verhindern können. Sportlicher Ehrgeiz ist nun mal auch ein wesentliches Merkmal der Bergsteiger. Daraus resultieren immer wieder Selbstüberschätzungen und falsche Tourenziele.

Gegensteuern kann man bei dieser Entwicklung niemals mit einer Flut an Gesetzen und Verordnungen, sondern nur mit einer fundierten Ausbildung  und dem aktivieren des gesunden Hausverstandes!




Donnerstag, 15. Juni 2017

Alpin Journal: Haben Andy Holzer und Lance Armstrong etwas gemein...

Alpin Journal: Haben Andy Holzer und Lance Armstrong etwas gemein...: Haben Andy Holzer und Lance Armstrong etwas gemeinsam? Lance Armstrong überwand eine an und für sich tödliche Krebserkrankung. Trot...

Haben Andy Holzer und Lance Armstrong etwas gemeinsam?



Haben Andy Holzer und Lance Armstrong etwas gemeinsam?

Lance Armstrong überwand eine an und für sich tödliche Krebserkrankung. Trotzdem schaffte er ein weltweit bewundertes Comeback als Radprofi, und später sogar einen ungeahnten Aufstieg in den Radler Himmel mit 7 Siegen bei der Tour de France und vielem mehr. Geschickt koppelte er seine Erfolge an ein weltweites Marketing für die Krebshilfe. Solcherart war er nahezu unantastbar für Kritiker. So ein Wohltäter der Menschheit und Übermensch, ein Überlebender des Krebses, konnte doch nicht einfach dopen. Zur Sicherheit sponserte Lance Armstrong noch den Dopingbehörden ein Blutanalysegerät um mehrere Hundertausend Euro. Seine zu starken Gegner wurden einfach bei den Dopingkontrolloren angeschwärzt……Letztendlich wurden sie alle erwischt, die beim Radfahren durch Doping betrogen haben. Seine Unantastbarkeit hat sich letztendlich als Boomerang erwiesen, und die öffentliche Kritik hat sich besonders stark entladen.

Bei Andy Holzer könnte man  meinen, dass die Lage irgendwie ähnlich ist. Es hat den Anschein, dass der blinde Bergsteiger Andy Holzer nicht kritisiert werden darf, obwohl er sich öffentlich vermarktet. „Lassts doch den armen Blinden in Ruhe“, „bei einer Tour hat er halt a bissl gschummelt, was solls“, so oder ähnlich sind die Reaktionen auf das Bekanntwerden seiner Nichtbesteigung des Denali Gipfels. 
Aber ist nicht solches Mitleid mit seiner Blindheit schlimmer, als ehrliche Konfrontation mit Fakten, wie bei einem „Sehenden“? 
Intelligent wie er ist, war ihm sicher klar, dass selbstverständlich irgendwann Neider bzw. Konkurrenten auftreten werden und jeder Stein, den er in seiner Karriere gelegt hat, irgendwann von irgendwem umgedreht werden wird. Ich meine damit dass es Andy Holzer sicher seit langem klar war, dass irgendwann auch von irgendwem der „Stein Denali“ umgedreht werden wird und alles auffliegt.

der Gipfelaufbau des Denali, deutlich das niedrigere Kahiltna Horn zu sehen

Einige Medien, darunter das größte deutschsprachige „Bergsteiger Internetportal“ bergsteigen.com, wurden anonym mit dem Vorwurf an Andy Holzer konfrontiert, dass dieser vor fast zehn Jahren den Gipfel des Denali ( Mt. McKinley) in Alaska nicht erreicht hätte. Als Fachjournalisten konfrontierten die Betreiber von bergsteigen.com alle Beteiligten mit den angeblichen Fakten, und befragten sogar Zeugen. Dabei stellte sich eben heraus, dass Andy Holzer den Gipfel des Denali eben tatsächlich nicht erreicht hat, sondern bereits am Kahiltna Horn, vor dem eigentlichen Gipfel, umgedreht hat. Ich würde das als fundierten Journalismus bezeichnen. Gerade beim Bergsteigen, gerade bei der zunehmenden Flut an Rekorden durch Bergsteiger und Pseudo-Bergsteiger, halte ich ein Regulativ durch fachlich versierte Medien und Fachjournalisten für durchaus wichtig.
Ich kenne Andy Holzer persönlich und habe einen riesen Respekt vor seinen alpinistischen- und auch vor seinen Marketing Technischen Leistungen. Im Umgang mit Kritik oder Kritikern tut sich Andy Holzer offensichtlich schwer. 
Die anonyme Anzeige kann nur von einem Insider aus Holzers persönlichem Team erfolgt sein, da es sich ja tatsächlich um die Wahrheit zu handeln scheint. 
unterwegs am West Buttress, dem Denali "Normalweg"

Ich würde Andy Holzer raten, anstatt auf die Überbringer der Nachricht, in diesem Fall auf bergsteigen.com, los zu gehen, einfach den Sturm im Wasserglas zur Ruhe kommen zu lassen und dann eben ganz auf den Denali zu steigen. Dies wäre eine klare Antwort, die alle Kritiker sofort zum Verstummen bringt. Das Herumlabbern mit Gipfeldekret und er wäre eh bis auf 50, 70, oder was weiss ich wie viele Meter in Gipfelnähe gewesen schadet seiner Karriere nur noch mehr. Tatsache ist für mich, dass Andy Holzer eben noch nicht auf allen „Seven Summits“ gestanden ist. 

so schauts im Sturm am Denali aus!

Den Vorwurf des „Neiders“  da ich es hiermit wage, Andy Holzers Reaktion auf die anonymen Vorwürfe öffentlich zu kritisieren, möchte ich mit einigen wenigen Fakten entkräften. Ich habe persönlich mit Gästen sämtliche „Seven Summits“ viele Male Bestiegen. Am Denali in Alaska konnte ich insgesamt neun Expeditionen leiten, wobei ich übrigens nie ein Gipfeldekret oder eine Bestätigung von den Rangern erhalten habe. Das bekommt man nur auf Anfrage, und mir war das nie wichtig, bzw. erschien es auch meinen Gästen nie notwendig so eine Bestätigung zu erhalten.
 Neben vielen Expeditionen in die Antarktis, auch auf den Mt Vinson, konnte ich bei gezählten sieben Expeditionen nach Papua Neuguinea immer mit allen Teilnehmern den Gipfel der Carstensz Pyramide erreichen. Nicht zuletzt sei noch erwähnt, dass ich anlässlich von drei Expeditionen den Gipfel des Mt. Everest dreimal erreicht habe.

Montag, 1. Mai 2017

Einer der besten Bergsteiger der letzten Zeit, Ueli Steck, ist tot

Einer der besten Bergsteiger der letzten Zeit, Ueli Steck, ist tot


Irgendwie erwartet man bei einem Bergsteiger, der extremste Solounternehmungen macht, dass  irgendwann etwas passiert. Trotzdem hofft man, dass dies nicht zutrifft, nicht bei "so einem". Umso größer ist dann die emotionale Wucht die "einen" trifft, wenn er trotzdem eintritt, der Unfall. 


Mit 40 Jahren war Ueli Steck am Zenit seiner Kariere. Er hat als Bergsteiger alles erreicht, was man nur erreichen kann. Als relativ junger Kletterer wurde er in der Schweiz erstmals überregional bekannt, als ihm eine Free-Solobegehung der Route Excalibur (6b/c) an den Wendenstöcken gelang, 2004, also mit 28 Jahren. Später gelangen ihm noch sehr schwierige Erstbegehungen im Fels z. B. "Paciencia" in der Eiger Nordwand, immerhin 8a und 23 Seillängen lang, diesmal jedoch mit einem Partner, Stephan Siegrist. Ebenfalls in der Eiger Nordwand konnte er die mixed Route "The Young Spider" als Erster besteigen und einige Jahre später auch solo klettern. 

Einer breiten Öffentlichkeit wurde Steck dann bekannt, als er "Speed Rekorde" in den drei großen Nordwänden der Alpen - Eiger, Matterhorn und Grand Jorasses-  aufstellte, und auch - rund 30 Jahre nach einem gewissen Thomas Bubendorfer -  in den Massenmedien vermarktete. 
Vor einem Jahr gelang ihm eine Besteigung aller 82 4.000er der Alpen in einem Zuge, indem er die Berge mit einer "Monster Radtour" verband, diesmal mit verschiedenen Partnern, unter anderem mit seiner Frau.

Steck entwickelte sich und seinen Stil weiter und übertrug seine Leistungen in die großen Wände der Achttausender. Dabei war er auffallend oft am Shisha Pangma, Cho Oyu und im Everest Gebiet unterwegs. Seine "sauerstofflose" Besteigung des Mt. Everest über den "Normalweg" diente "nur" dem Sammeln von Erfahrungen, um später auch schwierige Routen in extremen Höhen klettern zu können. 


Für 2017 hatte er das sprichwörtlich höchste Ziel eines Bergsteigers vor Augen. Geplant war eine Doppel Überschreitung von Everest und Lhotse, eventuell sogar weiter bis zum Nuptse. Immerhin des höchsten und vierthöchsten Gipfels der Welt.

Steck hatte für sich eine spezielle Art der Akklimatisierung entwickelt. Dabei bewegte er sich extrem viel und stieg dazu immer wieder extreme Höhenunterschiede auf und auch wieder ab. Im Gegensatz dazu akklimatisieren sich Bergsteiger "normal", indem sie relativ langsam aufsteigen und auch eine gewisse Zeit in entsprechenden Höhen verbleiben, bevor sie sich wieder in tiefer gelegenen Lagern erholen. So war er vor einigen Tagen vom BC auf 5.300m in einem Zug auf 7.000m aufgestiegen und auch wieder ab. In einem seiner zahlreichen Interviews hat er einmal dargelegt, dass ihm der physische, also körperliche, Aspekt seiner Extremtouren näher lag, als eine Abenteuer Komponente.

Diesmal wollte er offenbar den Normalweg am Nuptse auskundschaften. Dabei handelt es sich um eine riesige Eis- und Schneeflanke von rund 6.000m Höhe bis auf ca. 7.900m.  Was wirklich genau geschah wird man vermutlich niemals klären können. Ich habe aber gehört, dass es am Morgen in großer Höhe extemen Wind gegeben haben soll und er bereits im Abstieg gewesen sei. 

Selbstverständlich hat eine so großartige Karierre auch ihre Schattenseiten. Nicht nur Neider begannen immer genauer die sensationellen Berichte in den Medien zu lesen. Auch seriöse Journalisten entdeckten die eine oder andere Ungereimtheit oder Ungenauigkeit in den Tourenberichten. Umstritten ist z. B. sein extremes Solo durch die Annapurna Südwand, ebenso wie die Vorkommnisse mit Simone Moro und einer aufgebrachten Sherpa Menge am  Mt. Everest. Groß war der Schatten der Ereignisse anläßlich des Lawinenunglückes am Shisha Pangma bei der Doppel 8 Expedition eines Teams von Dynafit.


Er bekam 2008 den Prix Courage für die Hilfeleistung für Inaki Ochoa de Olza. Ebenfalls 2008 bekam er auch den Piolet d'Or für die Besteigung der Tengkampoche-Nordwand. Diese hatte er mit Simon Anthamatten vor der Hilfsaktion an der Annapurna bestiegen. 2014 bekam Steck nochmals den Piolet d'Or für seine Solo Erstbesteigung an der Annapurna Südwand.

Für mich persönlich waren die Leistungen von Ueli Steck hervorragend. Irgendwie bewunderte ich seine Konsequenz und seine akribischen Vorbereitungen vor seinen Expeditionen verfolgte ich mit großem Interesse.


"In der Liga, in der Steck spielte, ist Überleben eher die Ausnahme", meinte Jobo, ein Freund von mir.  Dem kann ich mich nur anschließen. Trotzdem möchte ich anmerken, dass sich Steck des Risikos, das er bereit war zu gehen, auch bewusst war. In letzter Zeit kam er in diversen Interviews aber immer mehr als "Getriebener" seines eigenen Erfolges bzw. Ehrgeizes "hinüber". Es ist halt doch fatal, seine eigenen Leistungen immer wieder toppen zu "müssen" um vorne dabei zu sein. Offenbar ist ein Ausstieg aus diesem Rad extrem schwierig und nur ganz wenigen Ausnahme Athleten möglich.

Mit seinen bahnbrechenden Erstbegehungen und Rekorden hat sich Ueli Steck jedenfalls seinen Platz in der Alpingeschichte gesichert und wird vielen unvergessen bleiben.


Montag, 30. Januar 2017

Alpin Journal: Hart, härter - Mt Everest im Winter.

Alpin Journal: Hart, härter - Mt Everest im Winter.: Zu den härtesten Disziplinen im  Bergsport gehören extreme Expeditionen im Winter. In den letzten Jahren zogen zahlreiche spektakuläre Expe...

Hart, härter - Mt Everest im Winter.


Zu den härtesten Disziplinen im  Bergsport gehören extreme Expeditionen im Winter. In den letzten Jahren zogen zahlreiche spektakuläre Expeditionen im Winter zu den Achttausendern die Aufmerksamkeit auf sich.

im Khumbu Eisbruch

Interessanterweise war der Mt. Everest gleich der erste aller "über Achttausend Meter" hohen Berge, der auch im Winter bestiegen wurde. Dies gelang am 17. Februar 1979 den beiden Polen Leszek Cichy und dem legendären Krzysztof Wielicki. Letzterem gelang auch noch die erste Winterbesteigung des 3. höchsten Gipfels der Welt, dem Kantsch 1986. Generell waren die Polen bzw. später die Japaner, die am meisten im winterlichen Himalaja unterwegs. Heute fehlt "nur" noch der K2 in Pakistan im Karakourm in der Liste der "Achttausender im Winter."

Nur unwesentlich weniger hart war für mich eine Winterbegehung des kältesten Berges der Welt, dem Denali in Alaska. Mit Heli Steinmassl und Heli Mittermayer gelang mir eine Besteigung dieses zwar "nur" 6000 ers, aber im Februar nahezu am Polarkreis. Nur sehr knapp konnten wir damals überleben. Immerhin hatten wir mit wirklich kurzen Tagen, respektive langen Nächten und Temperaturen bis zu - 57 Grad C zu kämpfen. Drei Japaner, die schon den Everst im Winter bestiegen hatten, (Team Yamada) bezahlten damals kanpp nach uns dieses Vorhaben mit ihrem Leben. Für mich war das Erlebnis sehr prägend, zumal ich am Ende der Expedition alleine am Kahiltna Gletscher "gestrandet" bin, nachdem meine Freunde ausgeflogen werden konnten. Nach gesamt 14 Tagen Wartezeit hatte ich dann endgültig genug von solchen "überharten" Expeditionen.

der winterliche Gipfel des Denali, Feb 89

Abstieg im winterlichen Sturm
Beide Bilder stammen von Heli Steinmassl.

Derzeit ist der 35 jährige Spanier Alex Txikon mit dem Spanischen Extremskifahrer Carlos Rubio am Everest unterwegs. Begleitet werden die beiden von einem Filmteam inklusive Drohnen. Sollte das Wetter mitspielen, ist das professionelle Filmteam sicherlich in der Lage spektakuläre Aufnahmen vom Berg zu liefern. Hier ein link zu ihrer fb Seite:

 https://www.facebook.com/alex.txikon.5/?fref=ts


Im Vergleich zur normalen Besteigungszeit in der Hauptsaison im Vormonsun, also April und Mai, geht es im Winter naturgemäß einsam zu am Everest.

Allen, die naiver Weise jammern, dass soviele Menschen am Everest oder generell in den Bergen unterwegs sind, sollte auffallen, wie einfach man das Problem "viele Menschen am Berg" lösen kann. Natürlich sind am höchsten Berg der Welt zur günstigsten Besteigungszeit Menschen aus aller Welt unterwegs. Will ich also an so einem Berg alleine sein, so muss ich entweder örtlich ausweichen, also eine andere Route als die leichteste wählen, oder eben  zeitlich auf eine andere Zeit ausweichen.

Bei meinen insgesamt 4 (!) Expeditionen auf den Mt. Everest hatte ich nie ein Problem mit zuvielen Menschen. Obwohl ich als Bergführer mit meinen Gästen selbstverständlich auf der leichtesten Route unterwegs war, und das zur besten Besteigungszeit. Natürlich waren wir auch niemals Alleine. Aber durch meine bereits jahrzehnte lange Erfahrung als Bergführer in den Alpen, kannte ich natürlich das Problem "viele Menschen" am Berg. Am Mt Blanc, Matterhorn oder vielen anderen Alpengipfeln ist es vor allem das Know How, also das Gewusst wann und wie im Detail, das uns Profi Bergführer von Hobby Bergsteigern oftmals unterscheidet.

Selbstverständlich erwartet sich ein Gast an einem Berg wie dem Mt. Everest von seinem Bergführer das Kow How  wie man mit den anderen Bergsteigern am besten "umgeht" - im Doppelsinn des Wortes. Eine Besteigung kostet ja nicht nur relativ viel Geld, sondern auch sehr viel kostbare Zeit. Bilder, die Horrorszenarien zeigen, wo zig Menschen als riesiger Wurm an einzelnen Eisschrauben an den Fixseilen hängen, zeigen wie es eben n i c h t geht. Es sollte eigentlich für Profis selbstverständlich sein, dass solche gefährliche Situationen vermieden werden. Dies geht relativ einfach mit einer Verschiebung der Begehungszeit an den Fixseilen um nur wenige Stunden.

Auch hatte ich am Gipfeltag keine oder nur ganz wenige Probleme am Hilary step. Wir Profi Bergführer hatten uns immer abgesprochen und so vermieden, dass es zu Staus kam. Bei einigen Rettungsaktionen bis weit über 8000 Metern haben Profi Bergführer immer wieder ihr Können gezeigt. 


Freitag, 13. Januar 2017

Alpin Journal: Praktische Lawineneinschätzung durch Kompensations...

Alpin Journal: Praktische Lawineneinschätzung durch Kompensations...: Praktische Lawineneinschätzung durch Kompensationsmethode oder ein Plädoyer für Hausverstand und Eigenverantwortung, Teil 2 Wie i...

Praktische Lawineneinschätzung durch Kompensationsmethode oder ein Plädoyer für Hausverstand und Eigenverantwortung



Praktische Lawineneinschätzung durch Kompensationsmethode
oder ein Plädoyer für Hausverstand und Eigenverantwortung, Teil 2

Wie in Teil 1 bereits beschrieben sind die heute gängigen Methoden zur Beurteilung der Lawinengefahr für Schneesportler ungenügend. Alle benötigen als Input den LLB, der aber laut eigener Auskunft der Ersteller in ca. 25 % der Fälle falsch ist. Daher kann auch das Ergebnis dieser Beurteilungsmethoden nicht wirklich zufriedenstellend sein. 


Ernstfall Lawine!


Die Forschung bzw. Wissenschaft versucht sich immer tiefer in die Materie Schnee und Lawinenkunde zu vergraben, wobei allerdings für den Praktiker, der draußen mit seinen Skiern unterwegs ist, keine Fortschritte zu bemerken sind. Eher im Gegenteil, je mehr man sich mit der Wissenschaft des Schnees und der Lawinen beschäftigt, umso komplexer, unübersichtlicher und unlösbarer wird das Problem der Einschätzung der Gefahr. Es handelt sich hier um ein gängiges Problem in der Wissenschaft, auch z. B. bei der Entwicklung der künstlichen Intelligenz. Je mehr „Daten“ man kreiert, umso länger und schlechter wird selbst mit den besten Computern der Welt das Ergebnis der berechneten Modelle. 

Wenn man zum Beispiel analysiert, wie viele Daten das menschliche Gehirn verarbeiten müsste, um nur auf einem unebenen Boden ohne zu schwanken gehen zu können, so kommt man bald an Grenzen.(Datenmenge, Berechnungszeit) Unser Gehirn „generalisiert“ (reduziert) die benötigten Daten, ähnlich wie wir es von der Erstellung von Landkarten kennen. Es werden nur die allernotwendigsten Basisdaten verarbeitet. Der Rest wird durch Adaption und Wiedererkennung von schon vorhandenen Mustern erarbeitet, also einer Form der Alltagsintuition.

Um nun in der Lawineneinschätzung weiter zu kommen, hilft nur ein radikales Umdenken. Wir benötigen eine Strategie, die völlig unabhängig vom aktuellen LLB funktioniert und die so einfach ist, dass wir draußen auf Tour zu einem befriedigenden Ergebnis kommen können. Also keine konkret - perfekte ja/nein Entscheidung, aber eine Einschätzung der Gefahr, die ein bestmögliches Ergebnis liefert. Dabei nehmen wir bewusst in Kauf, dass es eben ein gewisses Quantum Restrisiko immer geben wird. – Das ist ja auch mit den besten Rechenmethoden nicht aus zu schließen, und es liegt in der Natur von jeder „Schätzung“

In der Entscheidungstheorie gibt es ein Verfahren, das bei komplexen Problemen bestmögliche Ergebnisse liefert. Vor allem wenn wenig konkrete Daten für eine eindeutige Entscheidung zur Verfügung stehen. Dabei handelt es sich um die „Weniger ist Mehr“, bzw. „Take the best“ Methode. Dabei wird bei einem Problem der Input an Daten drastisch reduziert. Man arbeitet nur noch mit den wesentlichen, nach einer Einschätzung am wichtigsten für das Problem relevanten Daten. Alles Andere wird einfach weg gelassen.
Unbeschwerter Tiefschnee Genuß


Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass bei einer Vielzahl an komplexen Problemstellungen, diese stark vereinfachten Schätzmethoden ein ausgezeichnetes Ergebnis liefern. Vor allem bei Prognosen, also Aussagen über Problemstellungen in der Zukunft. Ergebnisse aus der Vergangenheit können mit exakten Daten genauer berechnet werden.
Genau diese Problemstellung haben wir bei der Gefahrenprognose der Lawinen. Wir sollen ohne exakte Daten mit einer Fülle von Parametern für die Zukunft ein möglichst genaues Ergebnis für die Einschätzung  der Lawinengefahr finden.
„Weniger ist also Mehr“
Wissenschaftlich untersucht wurde diese Methode am Beispiel des Problems von der Entwicklung von Aktien oder etwa der Wahl der richtigen Schule für ein Kind. Bei der hier vorgestellten Methode handelt es sich um eine modifizierte Anwendung der Intuition. Wie ich in Teil 1 bereits angemerkt habe, ist Intuition alleine kaum eine Möglichkeit, um die Lawinengefahr gut einschätzen zu können.
Die Frage war also, gibt es eine Möglichkeit, ein vereinfachtes Verfahren, dass die Intuition so verbessert, dass man damit auch im Gelände arbeiten kann?
Ich wurde dabei bei Gerd Gigerenzers fündig. In seinem Buch „Bauchentscheidungen“ beschreibt er eine Methode, wie Ärzte in Amerika die Diagnose für eine Herzerkrankung drastisch verbessern konnten. Dabei wurde auf „Weniger ist Mehr“ zurück gegriffen und ein „effizienter Entscheidungsbaum“ speziell für dieses Problem entwickelt.
Ich habe dieses System nun auch auf die Lawinenprognose angewendet.