Dienstag, 9. August 2016

Das liebe Geld und die Grenzen der Bergkameradschaft, "Double 8" Drama am Shisha Pangma


Vor rund zwei Jahren planten vier Bergsteiger eine Expedition der Superlative: Bei "Double 8" war es das Ziel zwei Achttausender innerhalb einer Woche by fair means, also mit Schiern und Moutainbike zu besteigen. Die beiden Achttausender Shisha Pangma und Cho Oyu werden öfters im Zuge einer einzigen Expedition hintereinander bestiegen, da sie relativ knapp beieinander liegen und logistisch einfach erreichbar sind. In der tibetischen Hochebene sind die beiden Basislager fast mit dem Jeep erreichbar, normalerweise allerdings nicht in einer derart knappen Zeitspanne.



Jasemba und Shisha Pangma vom L 3 am Cho Oyu (ca. 7400m)



Die Double 8 Expedition war riesig vermarktet, zeitgemäß mit Internet und "Echtzeit updates". Leider vereitelte das schlechte Wetter den planmäßigen Fortgang der Expedition, so endete ein erster Versuch im tiefen Neuschnee. Naturgemäß erzeugte diese Situation einen enormen selbst auferlegten Druck an die Expeditionsleitung bzw. die Vermarktungsmanager.

Natürlich ist man heutzutage auf kaum einem Berg am Normalweg alleine. So auch in jenem Herbst am Shisha Pangma. Mit am Berg war der Schweizer Profi Bergsteiger Ueli Steck, einer breiten Öffentlichkeit bekannt durch seine zahlreichen Speedrekorde durch Eiger- und Matterhorn Nordwand.

Durch mir nicht näher bekannte Umstände beschloss man im "Double 8 Team" nach dem mißglückten Versuch, den Schweizer Profi Steck ins Team zu holen. Dieser war eigentlich mit seiner Frau zu einer privaten Besteigung in Tibet, entschloss sich aber aufgrund der prekären Schneesituation auf eine "private Besteigung" mit seiner Frau zu verzichten. Statt dessen schloß er sich dem Team um die riesig vermarktete "Double 8" Expedition an. Irgendwie von außen betrachtet eine komische Entscheidung: war es nun aufgrund der Schneelage zu gefährlich, oder doch vertretbar einen Versuch zu wagen?

der Cho Oyu von Tibet
Jedenfalls beschlossen die nun fünf Bergsteiger einen zweiten Gipfelversuch. In der extremen Höhe von 7900 m, nur rund 100 m unter dem Gipfel kam es zur Tragödie. Eine riesige Lawine löste sich und riss drei der fünf Bergsteiger mit sich. Geschockt stiegen Steck und ein verbliebenes Mitglied der "Double 8" Mannschaft in tiefere Lager ab. Obwohl sie anscheinend auf dem Lawinenkegel einen leblos daliegenden Körper erkennen konnten, die anderen zwei aus dem Team waren offensichtlich total verschüttet.

Nach mehreren Stunden wachte der auf der Oberfläche des Lawinenkegels liegende Bergsteiger aus seiner Bewußtlosigkeit auf und schleppte sich schwer verletzt in das teilweise zerstörte oberste Lager. Später wurde er durch einen aufsteigenden Sherpa gerettet. Jetzt, nahezu zwei Jahre später erhebt er nun schwere Vorwürfe gegen seine Bergkameraden, dass sie ihn im Stich gelassen hätten.

technisch einfaches Gelände, aber extreme Höhe

Wie soll man sich nun als Aussenstehender zu den öffentlich in einem deutschen Hochglanz Bergmagazin geäußerten Vorwürfen eine Meinung bilden? Selbstverständlich ist es wichtig, Berichte von allen Seiten zu so einem Vorwurf zu lesen.

Klar ist für mich jedenfalls, dass es ein großes Problem darstellt, vor Ort ein eingespieltes Team zu verändern. Nur am Papier ändert sich nämlich dadurch lediglich die Anzahl der Teamteilnehmer. In Wirklichkeit verändert sich - vor allem durch Herinnahme eines "Ausnahme Athleten" bzw. "Stars" wie Steck - natürlich die Gruppendynamik völlig.  Aus einem eingespielten 2 x 2 Team wird durch eine ungerade Zahl plötzlich einer ein "drittes Rad am Wagen". Auch die athletischen Fähigkeiten bzw. die Risikotoleranz und Erfahrung sind nicht zu verachten bei der neuen Rollenverteilung im Team. Und das wirkt sich dann enorm auf die laufenden Entscheidungsprozesse am Berg aus.

Selbstverständlich ist bei so einer großen Tour allen Teilnehmern das Risiko bewußt und von vornherein klar, dass so was nicht ungefährlich ist.

Glück und Freude auf rund 7400 m

Ich war selber einige Male, auch bei großen Achttausender Expeditionen, mit ähnlichen elementaren Lawinen- und Gefahrensituationen konfrontiert. Selbstverständlich ist man selbst als abgebrühter Profibergsteiger nicht immun gegen einen solchen "Todesstress" und handelt oft nur noch instinktiv.

Ich finde die Darstellung von Ueli Steck auf seiner webseite

http://www.uelisteck.ch/de/item/59-grundsaetze-und-selbstverantwortung.html

zu dem Vorfall als grundehrlich und nachvollziehbar.

Auf der anderen Seite kann ich mich auch sehr gut in die Rolle von Martin Maier hinein versetzen, wenn ich mir vorstelle, wie sich die Gruppendynamik durch die Hereinnahme von Steck ins Team verändert haben muss. Trotzdem wirkt für mich die öffentliche Konfrontation über Medien mit seinen Teamkollegen irgendwie befremdend.


 http://bergsteiger.de/bergszene/interviews/martin-maier-vieles-ist-schlicht-gelogen

Übrig bleibt einfach ein schaler Nachgeschmack für alle Beteiligten. Hat das viele Geld (= riesige Vermarktung der Fa. Dynafit) für die Bergsteiger zu viel Stress verursacht? Hat die Vermarktung eventuell wichtige Entscheidungen beeinflußt? Oder war die Situation derart gefährlich, dass jeder nur noch seine eigene Haut retten wollte? Fest steht, dass man durch große Vermarktung hoch hinaus kommen kann, aber auch sehr tief fallen kann. Das Risiko und Druck sind jedenfalls groß, in vielerlei Hinsicht.

Für mich ist es selbstverständlich, dass kein Mensch seinen Freund absichtlich im Stich lassen wird, schon gar nicht in einer Notsituation am Berg. Fest steht auch, dass jeder Bergrettungseinsatz bei Gefahr für die Rettungsmannschaft selber selbstverständlich sofort abgebrochen werden muß!
Uelli Steck muss man  zu seiner Verteidigung zugute halten, dass er neben vielen anderen Situationen, auch am Achttausender Annapurna sogar ihm unbekannte Bergsteiger das Leben retten wollte. Er bekam für seinen selbstlosen Rettungseinsatz sogar den Prix Courage im Rahmen der "Piolet d Or" Preisvergabe.

Als sehr wichtig empfinde ich es, sich zur Beurteilung solcher Vorfälle in die Situation hinein zu versetzen. Natürlich ist das nicht jedem im nötigen Ausmaß möglich, umso vorsichtiger sollte man mit eventuellen Schuldzuweisungen sein. Vom "grünen Tisch" im warmen Zimmer erscheint eine Situation immer leichter zu beurteilen, als in Todesgefahr, wenn Steine und Lawinen um einen herum nieder gehen. Mit nachträglich erhaltenen Informationen und mit genügend Zeit und Distanz ist es oft (zu) leicht, etwas "Besser zu Wissen", bzw. theoretisch Entscheidungen zu treffen.

http://www.spiegel.de/sport/sonst/weltrekordversuch-himalaja-benedikt-boehm-und-sebastian-haag-starten-extremtour-a-991241.html

http://www.sueddeutsche.de/panorama/double-expedition-im-himalaya-zurueckgelassen-auf-ueber-metern-1.3063160?reduced=true

http://www.schweizamsonntag.ch/ressort/nachrichten/drama_in_der_todeszone/