Montag, 25. April 2016

Alpin Journal: Wie düster ist die Zukunft gesponserter Profi Alpi...

Alpin Journal: Wie düster ist die Zukunft gesponserter Profi Alpi...: Wie düster ist die Zukunft gesponserter Profi Alpinisten?   Vor einigen Tagen sind wir von zwei traumhaft schönen Wochen in Island nach H...

Wie düster ist die Zukunft gesponserter Profi Alpinisten?

Wie düster ist die Zukunft gesponserter Profi Alpinisten? 

Vor einigen Tagen sind wir von zwei traumhaft schönen Wochen in Island nach Hause gekommen. Das Saisonende verbunden mit den momentanen Wetterkapriolen ließen mir Zeit, etwas in der Alpinliteratur zu stöbern.
Dabei bin ich auf einen Artikel im "Outside magazin" gestoßen, der einen interessanten Einblick in das "neue Sponsorverhalten" diverser Konzerne bietet.

http://www.outsideonline.com/2070866/social-media-screwing-over-explorers-iceland-coldest-crossing


ein kleines Zelt auf über 4000 m, mitten in der Antarktis, Abenteuer pur!
Vier blutjunge englische Abenteurer hatten in typisch englischer Manier (kaum vorbereitet und kaum Erfahrung in dem Spezialgebiet) eine "first unsupported winter crossing of Iceland" versucht. Ein sprichwörtlicher Kaltstart in "subarktischer Wildnis, knapp am Polarkreis". Bei uns wurde diese "Expedition" kaum bekannt, umso mehr Staub wirbelte das Unternehmen der Engländer in Island auf.  Kaum vorbereitet - dieser Vorwurf stimmt so nicht ganz. Die Gruppe war perfekt in den neuen Medien vertreten, inklusiver diverser Übertreibungen und halbwahren "firsts". Natürlich wurde Island schon mehrfach auf diversen Routen zu allen Jahreszeiten durchquert, eventuell noch nicht vom nördlichsten Zipfel bis zur letzten Halbinsel im Süden und das im Winter. Geendet hat das Unternehmen dem Vernehmen nach in einer glücklichen Aktion der lokalen Rettungsbehörden, da es den jungen Briten schließlich doch zu kalt und unwirtlich geworden war. Für Medienecho in England, entsprechenden "clicks" war trotzdem gesorgt, und am Ende haben die vier so offenbar ein nettes Sümmchen mit ihrer Aktion verdient.

auf Expedition in der Antarktis, exclusiv vom Erlebniswert und Geldwert
Na und, wird sich mancher Leser fragen. Haben halt ein paar junge Leute halbseriös "Kohle gemacht".  Die Aktion ist aber doch symptomatisch für unsere Zeit und wirft schon einige Fragen oder Probleme auf. So ist der "Sponsormarkt" in etwa immer gleich groß, die Gelder werden also in einem Verdrängungsprozess verteilt. So wie etwa die gesamten Printmedien kaum mehr Einkommen aus Inseraten erhalten, da die Budges ins Internet wandern, haben "echte Profiabenteurer" zunehmend ein Problem, ihre Abenteuer zu finanzieren, sofern sie nicht wirklich "gut mit social media" sind.
Was heisst denn nun eigentlich gesponsert? So manche junge Burschen kleben sich das Logo eines bekannten Brauseherstellers auf die Stirn, und suggerieren damit ihren Freunden, gesponsert zu sein. Der Konzern hat es für sich geschafft, dass es unter Jugendlichen offenbar "cool" ist, für diese Firma zu werben - völlig unabhängig von einer entsprechenden Entschädigung. Dies ist natürlich noch kein Sponsoring!!

Will man wirklich von seinen Abenteuern und Reisen leben, so ist da schon ein beträchtlicher Mehraufwand notwendig. Die benötigte Ausrüstung für einen Trip stellt für einen Profi eigentlich das Minimum des Aufwandes dar. Meistens hat man sowieso schon Ausrüstung im Überfluss, und eher ein Lagerproblem, als ein Ausrüstungsproblem. Also Ausrüstungs - Sponsoring ist eher Nebensache, ein "nice to have". Eben eine Notwendigkeit, wenn man von einer Firma Geld erhält, um "content" also Inhalt zu produzieren. Da sollten dann schon die Ausrüstungsgegenstände des Sponsors eben zu sehen sein. Betreibt man ein Abenteurerleben aber professionell, so benötigt man schlicht und einfach eben Geld.
Ein viel größeres Problem als Ausrüstung stellt die Produktion des erwähnten "contents" dar. Filmchen und Fotos in perfekter Profiqualität sind da heute schon der Standard, und alles natürlich in Echtzeit im Internet. Abgerechnet wird nur noch in "clicks". 
Dies führt zum nächsten entscheidenden Problem für Profis. Gute Abenteuer, tolle Touren, weiße Flecken auf der Landkarte haben naturgemäß keine berühmten Namen. Es ist somit also sehr schwer, Menschenmassen dazu zu bringen, auf einen bestimmten Inhalt zu  klicken. Derzeit wird dies hautpsächlich durch immer noch verrücktere, absolut lebensgefährliche "Stunts" erreicht. Dies führt wiederum zu entsprechenden Unfällen, was viele Firmen aber wieder zum Rückzug veranlaßt hat. Z. B. kündigte die amerikanische Firma "Cliff bars" Sponsor Verträge zu bekannten Solokletterern. Nicht zu vernachlässigen ist auch noch die technische Herausforderung, von solch entlegenen "weissen Flecken" möglichst in Echtzeit und entsprechender Qualität den Inhalt ins Internet einspeisen zu können. Das erfordert teilweise schon wirkliches technisches Insiderwissen und entsprechendes high tech Gerät.

Ein weiterer Aspekt bei wirklichen Abenteuern ist natürlich der generelle Möglichkeit des Scheiterns. Und das kann natürlich keine große Werbekampangne als Grundlage haben. Damit ein Athlet wirklich große Abenteuer erleben kann, benötigt er eine Erfahrungszeit, in der man sich von Aktion zu Aktion quasi hinaufarbeitet. Es steigt nicht nur die Erfahrung im Gelände, sondern es steigen auch die Kontakte und man hat auch viel mehr "Horizont um das Ganze". Gleichzeitig wird aber gefordert, mit Filmkamera und Internet perfekt auf "Du und Du" zu sein, und genau da happert es leider bei vielen. Dieses Manko führt derzeit dazu, dass bekannte Athleten Schwierigkeiten haben zu Sponsoren für "gute Aktionen" zu bekommen. Ein amerikanischer Bekannter von mir, Andrew McLean, bekennt sich offen zu diesem Manko. Dabei hat er immerhin z. B. die erst Schibefahrung des Mt. Hunters absolviert, oder unglaubliche Expeditionen in der Antarktis überstanden.

Die bekannte Bergsportfirma Mountain Hardware hat sich zum Beispiel von Leuten wie Ueli Steck getrennt. Gleichzeitig hat ein Freund von mir, Mike Libecki es geschafft, bei Mountain Hardware an Bord zu bleiben. Er vermarktet aber mitlerweile kaum mehr seine Extremtouren, wie etwa Solo BigWall Klettern in der Antarktis, sondern fährt mit seiner kleinen Tochter auf den Killimandscharo. Dafür ist es für ihn viel leichter "Inhalt, sprich content" zu kreiren und damit für seinen Sponsor und dessen "Massenzielgruppe" wertvoll zu bleiben. 

Was heisst das nun für die Zukunft der Profibergsteiger? Es wird tastsächlich immer schwieriger Geld (denn das benötigst du am dringendsten) für das "Verschieben von Grenzen", für echte Abenteuer, aufzutreiben. 

Wird sich was ändern? Ich glaub wenig. Es wird weiterhin Idealisten geben, die sich einfach auf die Reise machen werden und tolle Dinge erleben. Davor und danach halt mehr oder weniger lang "buddeln" bis das benötigte Geld in der Kasse ist. Wirklich schade ist dabei, dass gleichzeitig "Pseudoabenteurer", oder mit irgendwie "halben Dingen" offenbar das große Geld gemacht werden kann. 

Auch kann man beobachten, dass einige Profialpinisten sich ihre Ziele eben in bekanntem und erschlossenem Raum such(t)en. So hat Alex Huber bereits vor vielen Jahren in der Nordwand der Westlichen Zinne mit "Bella Vista", bzw. seinem Solo in der Hasse Brandler Alpingeschichte schreiben können. Ein Ueli Steck wurde durch seine Speed Rekorde durch die Eiger Nordwand einer großen, "nicht bergsteigenaffinen" Menschenmasse bekannt. Bekanntheit des Namens der Akteure und des Zieles in Kombination ist offenbar ein (kurzer) Ausweg aus dem Einkommensdilemma verschiedener Profis.



Donnerstag, 21. April 2016

Alpin Journal: Was Schitourengeher und Heuschrecken gemeinsam hab...

Alpin Journal: Was Schitourengeher und Heuschrecken gemeinsam hab...: Was Schitourengeher und Heuschrecken gemeinsam haben - Versuch einer Analyse Frühling in Island, in den Alpen ist die Schitourensaison sc...

Was Schitourengeher und Heuschrecken gemeinsam haben


Was Schitourengeher und Heuschrecken gemeinsam haben - Versuch einer Analyse

Frühling in Island, in den Alpen ist die Schitourensaison schon weitgehend vorbei. Im hohen Norden, in den Fjorden der Trollhalbinsel Islands, nahezu am Polarkreis, fängt die Saison gerade mal an. 

Start  zu einer traumhaften Schitourn in Island

Seit nunmehr rund 25 Jahren bereise ich den Globus in allen Richtungen mit Gästen in Sachen Berge. Natürlich hat sich in dieser Zeit auch eine Menge geändert. Unsere Erde ist nun mal rund und dreht sich weiter. Manche Gegenden werden von Zeit zu Zeit gefährlicher, andere wiederum scheinen ein Hort des Friedens zu bleiben.

Reisen und auf Berge steigen gehört für mich nun mal zusammen - beides hat mit Entdecken und Abenteuer zu tun. Ich bin in der glücklichen Lage, Abenteuer von denen ich als kleiner Bub mit glühenden Ohren gelesen habe, beruflich in meinem Leben real zu erleben.  

Entscheidender Bedeutung kommt selbstverständlich der Wahl des Zieles zu. Natürlich gab es früher viel weniger Menschen, die in die Berge gingen, vor allem viel weniger Schitourengeher. Und natürlich gab es immer schon Ziele, Berge, die man einfach "gemacht haben" mußte. Die daraus resultierende Konzentration an Menschen war aber immer noch überschaubar. Klar, Bergsteiger such(t)en die Bergeinsamkeit, um sich in der Ruhe der Natur zu erholen und Energie zu tanken.

Irgendwie kommt es mir heute vor, hat sich die Einstellung vieler Bergsteiger bzw. Schitourengeher verändert. Man hat einfach den Eindruck im Zeitalter von Facebook, Pinterest und Internet insgesamt, dass es immer mehr darum geht, "in" zu sein, "dabei zu sein", um ein Filmchen oder Foto von der Tour, die man "gemacht" hat, zu ergattern. 

Ist eigentlich eh  ein komischer Begriff: "Tour die man gemacht" hat. Man macht doch keine Tour, oder Berg. Man erwandert oder besteigt den Berg, oder absolviert von mir aus eine Tour. Aber die Berge, Wände, Grate und Firnflanken wurden doch von der "Natur gemacht", oder?
Na ja, eine Reise macht man, da paßt es dann wieder zusammen. 
 
Abfahrten bis hinunter zum Eismeer, eine faszinierende Erfahrung!

Was mir aber wirklich im Laufe der Zeit auffällt, ist ein bestimmtes Muster. Ein Muster, dass Bergsteiger (Schitourengeher) und Heuschrecken scheinbar gemeinsam haben. Wie eine riesen Welle schwappt eine Masse an Menschen von Gebiet zu Gebiet, von Berg zu Berg. 

Solche "Trends" sind relativ schwer im Voraus zu beurteilen, im Rückblick ist das schon leichter.  Vor der Jahrtausendwende waren Schitouren in Afrika in aller Munde. Das Internet trat seinen endgültigen Siegeszug an, und damit begann eine Flut an Informationen. Plötzlich wollte jeder vom Viertausender im Hohen Atlas, von perfekten Firnhängen direkt in die Oasen der Sahara sehen. Nach einigen Jahren flaute dieser Trend etwas ab, nur um von den Abruzzen in Süditalien abgelöst zu werden. Zugegeben, die hunderte Meter langen, perfekt geformten Schihänge gepaart mit italienischem Essen und Flair, das hat schon was. 
Als ich 2003 zum ersten Mal in Tromsö in Nordnorwegen  Schitouren von einem Schiff in den diversen Fjorden um Lyngen machte, ahnte ich noch nicht, dass rund zehn Jahre später diese einsame Gegend von Schitourengehern ähnlich einem Heuschreckenschwarm überschwemmt werden würde. 

Und die "Herde" zog weiter. Heute kann es schon mal sein, dass man in den "einsamen Bergen" im Norden Islands mehr Tiroler trifft, als im Stubaital.


Eines ist aber heute unverändert wie früher, man will was erleben und freut sich, wenn man von Abenteuern berichten, erzählen kann.  

Als Bergführer, der von den Touren mit seinen Gästen lebt, ist man so immer irgendwie in der Zwickmühle. Einerseits findet man einsame Gegenden alpiner, anspruchsvoller, andererseits muss man die Touren anbieten, wo Gäste hinwollen. Und so wirkt man natürlich selbst wieder verstärkend auf den Trend und ist selber Teil des "Heuschreckenschwarms". Spannend bleibt, wohin es als nächstes geht. Ein heisser Tip von mir wäre Andalusien, es gibt da herrliche Schitouren in der Sierra Nevada gepaart mit den kulturellen highlights in Granada.