Montag, 22. Februar 2016

"Bröckelt" der Mythos Everest? Ausblick auf die Saison 2016


Die letzte "normale" Saison für eine Besteigung des Mt. Everest war 2012 bemerkt Alan Arnette,
d e r  akribische "Everestblogger" aus Colorado in einer Ausgabe des Outside Magazins.
Ich konnte in meiner Karriere als Bergführer vier Expeditionen auf den höchsten Berg der Welt leiten, und ich verfolge selbstverständlich mit großem Interesse die Ereignisse sehr genau. Bei meinen Everestbesteigungen lernte ich die diversen kleinen und großen Veranstalter, und auch viele Profi Bergführer aus aller Welt, direkt am Berg während unserer "Arbeit" kennen. Dabei konnte ich auch mit einigen Sherpas Freundschaft schließen.

Gipfelrast am Mt. Everest, mein "zweites Mal am Gipfel" war der  schönste aller "drei Gipfel"

Die aggressiven Auseinandersetzungen 2013 zwischen den Profi Alpinisten Uelli Steck und Simone Morro mit einigen äußerst gewaltbereiten Sherpas gingen auch in Europa durch die Medien. Ein Jahr später zwang eine Minderheit aggressiver Sherpas die renomierten Veranstalter mit ihren seit Jahren etablierten, und auch sehr gut bezahlten Sherpateams, schon nach einigen Wochen zum  Abbruch der Saison. Den arbeitswilligen Sherpas wurde angedroht, ihnen die Beine zu brechen und den Veranstaltern ihre Büros in Kathmandu in die Luft zu sprengen.
Vor diesem Hintergrund brachen alle Veranstalter geschlossen die Saison ab. 2015 wurde dann das Jahr der entgültigen Katastrophe mit dem großen Erdbeben und der Riesenlawine im Basislager. Auch da wurde die Saison vorzeitig abgebrochen.

Unsere Erde ist rund und dreht sich weiter. Vor obig genanntem Hintergrund blieb natürlich auch am Mt Everest nicht alles beim Alten. Die extrem instabile und teilweise korrupte Regierung in Nepal hat die Permitregelungen am Everest verändert und damit auch kleineren nepalesischen Agenturen ermöglicht, auf den Markt zu kommen. Viele winzige nepalesische Veranstalter, oder gar einzelne Sherpas, versuchen nun heuer den Mt. Everest kommerziell anzubieten. Sie drängen aggressiv mit einem "Dumpingpreis" von um die 25 - 30 000 US$ auf den Markt.
Gleichzeitig hatten die etablierten Veranstalter einige Jahre mit gehörigen Verlusten wegzustecken, und bezahlten in den vergangenen Jahren ihre Sherpateams trotz fehlender Einnahmen vom Everest.

Dies hat zur Folge, dass heuer die Preisspanne etwa zwischen 25 000 US$ für nicht geführte kleine Veranstalter und rund 80 000 US$ für westlich geführte Touren reicht. Unterstes Preislimit für einen westlichen Bergführer scheint mir heuer so um die 40 000 US$ (heuer nahezu gleich €) zu sein. Wenn man bedenkt, dass da auch die Permitgebühr mit alleine ca. 11 000 US$ pro Person, die Flüge sowie diverse Versicherungen sowie Essen, "Icefallfee" und Sauerstoff  etc, etc, auch für den Führer inkludiert sind, kann da ein westl. Führer für zwei Monate Arbeit nach westl. Maßstäben auch kaum ein adäquates Einkommen haben.

Leitern im Khumbueisbruch sind immer eine große Herausforderung

Die zahlenden Gäste müssen dabei heuer besonders aufpassen, was bei einer Buchung zum "Dumpingpreis" alles inkludiert ist, und was nicht. Oft wird es so sein, dass so manches Billigprodukt sich am Berg als gefährliche Mogelpackung erweisen wird. Irgendwie habe ich so das Gefühl, dass heuer so eine Art "Probejahr" für viele neue, vor allem kleine, Veranstalter am Berg sein wird. Vor allem unter den Sherpas könnte es heuer wieder viel Grund zu diversen Rivalitäten geben. Die "billigen" nepalesischen Veranstalter bezahlen ihren Sherpas nur rund 1000 US$ für die ganze Saison, wird koloportiert, während die großen Veranstalter um die 6000 US$ für eine Sherpa bezahlen.

Sollten wieder junge und aggressive Sherpas die Saison unterbrechen, so fürchte ich, dass vor allem bei den kleinen Teams nicht nur die Sherpas selbst, die da oftmals nicht aus der Solu Khumbu Region kommen, und darum auch "billiger"sind, sondern auch viele Gäste durch die Finger schauen werden.

Spannend wird auch die Frage des "Fixings" bzw. die Rolle der Icefall doctors im Khumbu Eisbruch sein. Üblicherweise wird das Verlegen der Fixseile in einer gemeinsamen Aktion der Veranstalter gemacht. Dies war schon in der Vergangenheit immer eine Riesendiskussion, obwohl sich weniger, dafür größere Veranstalter, die Arbeit teilten.  Wer stellt welches Material, wer welche bzw. wieviele Sherpas, welche westlichen Führer unterstützen die Sherpas usw. Vor dem Hintergrund von vielen, vielen sehr kleinen und nicht nur finanziell schwachen, sondern auch mit Ausrüstung schwachen Teams, dürfte diese Diskussion heuer besonders heikel werden.

Ein spätes Verlegen der Fixseile in den oberen Regionen des Berges, hat aber eine Verzögerung des ganzen Besteigungsablaufes zur Folge. Die große Gefahr ist dann, dass eventuell Wetterfenster verpasst werden, bzw. an den wenigen "guten Tagen" besonders viele Menschen gleichzeitig an den Fixseilen hängen. Solche Situationen benötigen dann wirklich erfahrene Leute um entschärft zu werden.

Viele werden sich nach der Lektüre der obigen Zeilen fragen, warum man den Everest "nicht einfach so" besteigen kann. Die Situation ist eben am höchsten Berg der Welt sehr speziell. Ähnlich wie am Matterhorn im Wallis, lebt eine ganze Region praktisch von diesem Berg. Hier wie dort kann man selbstverständlich die Nachteile von "Massentourismus" auf einem hohen, relativ schwierig zu besteigenden Berg, beobachten. Und hier wie dort begenet man unterschiedlichen Bergsteigern mit unterschiedlichen Kenntnissen und auch verschieden erfahrenen  Bergführern aus der ganzen Welt.

Ich hoffe, dass meine befürchteten Probleme am Mt. Everest heuer ausbleiben, die Sherpas auch in Zukunft eine Einkommensoption haben, und Führer, Gäste und Sherpas von Unfällen verschont bleiben.

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