Was Schitourengeher und Heuschrecken gemeinsam haben - Versuch einer Analyse
Frühling in Island, in den Alpen ist die Schitourensaison schon weitgehend vorbei. Im hohen Norden, in den Fjorden der Trollhalbinsel Islands, nahezu am Polarkreis, fängt die Saison gerade mal an.Start zu einer traumhaften Schitourn in Island |
Seit nunmehr rund 25 Jahren bereise ich den Globus in allen Richtungen mit Gästen in Sachen Berge. Natürlich hat sich in dieser Zeit auch eine Menge geändert. Unsere Erde ist nun mal rund und dreht sich weiter. Manche Gegenden werden von Zeit zu Zeit gefährlicher, andere wiederum scheinen ein Hort des Friedens zu bleiben.
Reisen und auf Berge steigen gehört für mich nun mal zusammen - beides hat mit Entdecken und Abenteuer zu tun. Ich bin in der glücklichen Lage, Abenteuer von denen ich als kleiner Bub mit glühenden Ohren gelesen habe, beruflich in meinem Leben real zu erleben.
Entscheidender Bedeutung kommt selbstverständlich der Wahl des Zieles zu. Natürlich gab es früher viel weniger Menschen, die in die Berge gingen, vor allem viel weniger Schitourengeher. Und natürlich gab es immer schon Ziele, Berge, die man einfach "gemacht haben" mußte. Die daraus resultierende Konzentration an Menschen war aber immer noch überschaubar. Klar, Bergsteiger such(t)en die Bergeinsamkeit, um sich in der Ruhe der Natur zu erholen und Energie zu tanken.
Irgendwie kommt es mir heute vor, hat sich die Einstellung vieler Bergsteiger bzw. Schitourengeher verändert. Man hat einfach den Eindruck im Zeitalter von Facebook, Pinterest und Internet insgesamt, dass es immer mehr darum geht, "in" zu sein, "dabei zu sein", um ein Filmchen oder Foto von der Tour, die man "gemacht" hat, zu ergattern.
Ist eigentlich eh ein komischer Begriff: "Tour die man gemacht" hat. Man macht doch keine Tour, oder Berg. Man erwandert oder besteigt den Berg, oder absolviert von mir aus eine Tour. Aber die Berge, Wände, Grate und Firnflanken wurden doch von der "Natur gemacht", oder?
Na ja, eine Reise macht man, da paßt es dann wieder zusammen.
Abfahrten bis hinunter zum Eismeer, eine faszinierende Erfahrung! |
Was mir aber wirklich im Laufe der Zeit auffällt, ist ein bestimmtes Muster. Ein Muster, dass Bergsteiger (Schitourengeher) und Heuschrecken scheinbar gemeinsam haben. Wie eine riesen Welle schwappt eine Masse an Menschen von Gebiet zu Gebiet, von Berg zu Berg.
Solche "Trends" sind relativ schwer im Voraus zu beurteilen, im Rückblick ist das schon leichter. Vor der Jahrtausendwende waren Schitouren in Afrika in aller Munde. Das Internet trat seinen endgültigen Siegeszug an, und damit begann eine Flut an Informationen. Plötzlich wollte jeder vom Viertausender im Hohen Atlas, von perfekten Firnhängen direkt in die Oasen der Sahara sehen. Nach einigen Jahren flaute dieser Trend etwas ab, nur um von den Abruzzen in Süditalien abgelöst zu werden. Zugegeben, die hunderte Meter langen, perfekt geformten Schihänge gepaart mit italienischem Essen und Flair, das hat schon was.
Als ich 2003 zum ersten Mal in Tromsö in Nordnorwegen Schitouren von einem Schiff in den diversen Fjorden um Lyngen machte, ahnte ich noch nicht, dass rund zehn Jahre später diese einsame Gegend von Schitourengehern ähnlich einem Heuschreckenschwarm überschwemmt werden würde.
Und die "Herde" zog weiter. Heute kann es schon mal sein, dass man in den "einsamen Bergen" im Norden Islands mehr Tiroler trifft, als im Stubaital.
Eines ist aber heute unverändert wie früher, man will was erleben und freut sich, wenn man von Abenteuern berichten, erzählen kann.
Als Bergführer, der von den Touren mit seinen Gästen lebt, ist man so immer irgendwie in der Zwickmühle. Einerseits findet man einsame Gegenden alpiner, anspruchsvoller, andererseits muss man die Touren anbieten, wo Gäste hinwollen. Und so wirkt man natürlich selbst wieder verstärkend auf den Trend und ist selber Teil des "Heuschreckenschwarms". Spannend bleibt, wohin es als nächstes geht. Ein heisser Tip von mir wäre Andalusien, es gibt da herrliche Schitouren in der Sierra Nevada gepaart mit den kulturellen highlights in Granada.
Wir gehen sehr gerne im Schnee wandern. Häufig sind wir dann in Italien und laufen vom Hotel Grödnertal los in Richtung der Berge. Uns macht es einen riesigen Spaß.
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