Vom Sicherheitswahn und Risikobewunderung
Heute möchte ich
gerne ein Thema beleuchten, dass mich als Profi Bergführer und auch als
Vortragender in vielen Vorträgen beschäftigt. Das Thema Risiko respektive
Sicherheit und wie in unserer Gesellschaft damit umgegangen wird.
In unserer
Gesellschaft wird für viele Bereiche eine absolute Sicherheit gefordert.
Jüngstes Beispiel dafür sind etwa die offiziellen Reaktionen auf den Selbstmord
des Piloten der Germanwings Maschine. Vielfach wird nach Ereignissen sofort
nach einer Anlaßgesetzgebung gerufen, und auch übereilt gleich durchgezogen.
Ich denke, dass man dem Risiko eines Selbstmörders in Führungsfunktionen immer
hilflos ausgeliefert sein wird. Was ist mit einem Buschauffeur, der mit einem
voll besetzten Bus in einen Abgrund fährt, was mit einem Lokführer, der seinen
Zug nicht ordnungsgemäß fährt, was mit einem Bergführer, der seine Gäste mit in
den Tod nehmen will...?
Symbolbild: mit ABS und sonst noch allerhand Ausrüstung |
Mir fällt
gernerell besonders in den letzten Jahren, ein immer stärker werdender Trend
beim Bergsteigen, speziell beim Schitourengehen, auf.
Die Leute
schleppen im Streben nach einer umfassenden Sicherheit alle möglichen
Sicherheitseinrichtungen auf ihre Tour mit. Es ist mittlerweile gar keine
Seltenheit mehr, dass ein einzelner Tourengeher nicht nur das obligate
Lawinenpieps und einen Lawinenballon mit hat, sondern auch noch einen
"Avalung Rüssel" mit dabei. Oftmals sind die Leute dann durch das
Verhältnis Ausrüstungsgewicht zu körperlicher Konstitution, sprich Kondition,
wieder in Summe gefährlicher, weil langsamer und nicht selten am absoluten
körperlichen Limit, unterwegs. Was nützen sämtliche
Lawinensicherheitsausrüstungen, wenn man dann völlig entkräftet und
überfordert, seine Purzelbäume in den Schnee legt. Das Verletzungsrisiko durch
die Entkräftigung ist dann oft viel größer als eine eventuelle Lawinengefahr.
Wolfgang Güllig in Seperate Reality |
Gleichzeitig
werden aber - vor allem im Sport - Helden glorifiziert, die ein immenses Risiko
eingehen. Kopfkameras, Videofilmchen im Internet und sozialen Foren erleben
offenbar einen noch nie geahnten Zulauf.Auch in den mit millionenaufwand
produzierten Hollywoodfilmen wird den Menschen heute ein Heldentum durch
eingegangenes und überstandenes Risiko verkauft. Offensichtlich trifft dieses
Heldentum, und damit eine Akzeptanz von maximalen Risiko, also doch auch ein Grundbedürfnis
der Menschheit. Auch beim Bergsteigen werden die "Heldentaten" der
Spitzenprofis oft enorm bewundert. Man denke nur an diverse "free
solo" Klettereien im höchsten Schwierikgeitsgraden, oder heldenmütige
Extremtouren an riesigen Achttausender Wänden.
Auf den ersten
Blick sieht es also so aus, dass in der "öffentlichen Meinung" mit
zweierlei Maß gemessen wird. Hier die Forderung nach der ultimativen Sicherheit
und dort die grenzenlose Bewunderung von Sportlern und Bergsteigern, die ein
unglaubliches Risiko eingehen. Das passt doch
irgendwie gar nicht zusammen? Will man sich also selbst in absoluter Sicherheit
wägen, während man anderen bei immer halsbrecherischen Aktionen zusieht?
Sensationslust gab es schon immer, aber beim Bergsteigen kommt mir vor, ist die Schere
zwischen Sicherheit und Risiko noch nie so auseinander geklafft wie jetzt.
Was meint ihr
dazu?
Servus Walter,
AntwortenLöschenda Du dort auch aktiv bist, erlaube ich mir, einen thread auf Gipfeltreffen.at zu verlinken, in dem wir ziemlich genau dieses Thema diskutiert haben: http://www.gipfeltreffen.at/showthread.php?78120-Risikokultur-und-Selbstdarstellung-beim-Bergsteigen Die Diskussion war interessant und lohnt meiner Meinung nach das Nachlesen.
Schöne Grüße
Hannes
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenHätten wir immer unter der Prämisse der absoluten Sicherheit agiert, würden wir heute noch in Höhlen hausen und an einer Blinddarmentzündung sterben. Hätten unsere menschliche Rasse ausnahmslos aus Helden und Draufgängern bestanden, gäbe es uns auch nicht mehr. Wie immer, ein gesundes Abwägen, entsprechendes Wissen, Erfahrung, Mut zum Risiko, aber nicht gleich Harakiri ist vermutlich der zielführende Weg. Andreas
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