Dienstag, 10. März 2015

Darf die Bergrettung kritisiert werden?

Der aktuelle Winter wird sicherlich als einer der problematischsten "Lawinenwinter" in die Geschichte eingehen. Bei der Untersuchung der Statistik springt einem sofort der überproportional hohe Anteil von Mitgliedern der Bergrettung an den Opfern entgegen. Irgendwie kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass es da einen "Handlungsbedarf" bei der Bergrettung gibt.


Es ist ein sehr heikles Thema, eine Organisation, bzw. deren Mitglieder zur Diskussion  zu stellen, wenn man unter Umständen selber auf diese im Ernstfall angewiesen ist. Selbstverständlich ergeht es mir da auch so.

Trotzdem finde ich es enorm wichtig, dass Institutionen wie etwa Feuerwehr oder eben die Bergrettung auch Kritik (v)ertragen können müssen. Natürlich nicht Kritik  im Sinne bösartiger "Schlechtmacherei", sondern im Sinne einer konstruktiven Debatte, um etwaige Mängel, und auch einen Imageverlust, verbessern zu können. Besonders wichtig ist es für mich, falls ich als Betroffener die Dienste der Bergrettung benötigen sollte, dass dort alles "optimal läuft!"


Natürlich ist es ein ganz "besonderes Gefühl", wenn du für eine Gruppe als Bergführer verantwortlich bist, alles nach besten Wissen und Gewissen machst, und dann ein Tourengeher ein Schneebrett auslöst, dass direkt auf dich und deine Gruppe zurast.

Besonders intensiv ist das "Gefühl", wenn du nach dem Ausgraben des Verschütteten feststellst, dass er ein Mitglied der Bergrettung ist.

Woran könnte also der so hohe Anteil an "erfahrenen" Schitourengehern an den Lawinenunfällen liegen?


Mir fallen da mehrere Ansatzpunkte ein: etwa schlicht und einfach die Wahrscheinlichkeit. Mehr Touren zu machen heisst natürlich auch länger und öfter im gefährdeten Bereich zu sein und dadurch einer höheren Wahrscheinlichkeit eins Unfalles. Zum Anderen besteht die Möglichkeit, dass jemand, der sich für erfahren hält, oder den sein "Umfeld" für erfahren hält, in Wirklichkeit gar nicht so erfahren ist.

Zum Beispiel besteht die Möglichkeit, dass jemand relativ häufig (dutzende Male) immer die selben 3 oder sagen wir 5 Schitouren im selben Winter geht. Dann ist er zwar mit wechselnden Bedingungen aber in immer gleichem Gelände konfrontiert. Wie schaut in diesem Falle die "Erfahrung" dann aus? Wenn noch ein gewisser "Gewöhnungseffekt", wegen dem immer gleichen Gelände eintritt, so ist der Erfahrungswert also gleich null, obwohl die Person unter Umständen den ganzen Winter auf Schitour ist. Besonders prekär erscheint es mir, wenn mit zu wenig "Demut" vor der Natur agiert wird, da man sich als "eh so erfahren" einschätzt.


Die Anzahl an Touren spiegelt also nur sehr eingeschränkt den Wert an Erfahrung wider.


Wie kann man dann aus  Erfahrung in Lawinensituationen lernen? Wenn ich einen Hang fahre, den ich eigentlich gar nicht einfahren hätte dürfen, aber nur durch Glück nichts passiert, so ist eine gesammelte Erfahrung eigentlich kontraproduktiv. Wenn jemand in der selben Situation im selben Hang aber eine Lawine auslöst, so ist er unter Umständen gar nicht mehr in der Lage (da womöglich tot) von seiner gemachten Erfahrung zu profitieren.


In diesem Fall gibt es also überhaupt kein Lernen aus Erfahrung, jedenfalls nicht in dem Ausmaß wie es notwendig wäre.

Zusammenfassend ist also das Wort Erfahrung in Zusammenhang mit Lawinen sicher ein nicht ganz unproblematisches.



Wie schaut es nun mit der Ausbildung aus? Da steht es für mich ausser Zweifel, dass die Mitglieder der Bergrettung sicherlich überdurchschnittlich bis sehr gut ausgebildet sind.

Warum passieren also sehr gut ausgebildeten Menschen (und n i c h t nur BRD Mitgliedern) trotzdem immer wieder scheinbar vermeidbare Unfälle?
Eben weil es Unfälle gibt, es "passiert" einfach. Aus Unachtsamkeit, sprich Unkonzentriertheit? "Blöd gelaufen" ect. Absichtlich machen wir alle natürlich keinen Fehler. Offensichtlich muß man anerkennen, dass es unter Menschen eben menschelt und wir alle nicht perfekt sein können.

Ein Ansatz, denke ich, ist sicher das "Bewußtmachen", dass wir die Natur auch heute noch nicht wirklich genau berechnen können. Die Gefahren kann man bestenfalls abschätzen mit den entsprechenden Unschärfen. Es muss uns allen bewußt sein, dass Gefahr zum Bewegen in der Natur dazu gehört, und man nur mit größter Demut vor der Natur und ihren Gefahren (hoffentlich)bestehen kann.

Ein wirklich wichtiger Bereich im Zusammenhang mit Unfällen ist für mich aber doch der Umgang mit Fehlern. Selbstverständlich passieren uns allen immer wieder Dinge, die so nicht passieren sollten. Und sehr oft haben wir einfach Glück. Ich halte es für immens wichtig, in so einem Fall eine Fehleranalyse zu machen  und sich genau zu überlegen, was ist da jetzt falsch gelaufen. Hier ist einer der seltenen Fälle, wo man wirklich "Erfahrungen" sammeln kann! Bei der Unfallanalyse geht es eben nicht darum, jemanden schlecht zu machen, sondern darum aus den Vorfällen  zu lernen. So können dann viele davon profitieren.

Im vorliegenden Fall am Gamsfeld war der Lawinenlagebericht auf Stufe 3 und warnte vor Triebschneeansammlungen aufgrund des starken Windes in den Hanglagen O über S bis W. Der gegenständige Hang am Gamsfeld zeigt nach W und hatte am Kamm eine deutlich ausgeprägte Wechte. Es war schon aus der Entfernung zu sehen, dass es da eine Windverfrachtung gegeben hatte.

Was ist also schief gelaufen? Die nahezu ständig befahrene Abfahrt wird üblicherweise im zentralen Bereich des Hanges gefahren. Es war an einem "typischen ersten schönen Tag" und Wochenende. Viele Leute waren auf der Modeschitour Gamsfeld unterwegs. Natürlich wurden die Spuren nach und nach nebeneinander "gelegt". Der Unglücksfahrer querte einfach oben weiter in den Unglückshang hinein, um noch unverspurtes Gelände  zu finden. Und dann brach praktisch der ganze Hang bis weit ober ihn......

Anstatt sich einer vernünftigen Fehleranalyse zu stellen, und zu sagen, was schief gelaufen ist, versuchte er allerdings den Vorfall zu verharmlosen. Für mich eine menschlich verständlich Reaktion. Im Sinne einer Unfallanalyse aber kontraproduktiv.

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