Sonntag, 20. August 2017

Von der Schwierigkeit den Begriff der "Freiheit" für das Bergsteigen zu erhalten


Seit es Bergsteiger gibt, ist die Freiheit in den Bergen ein ganz wesentlicher Aspekt bei unser aller liebster Beschäftigung. In den Bergen läßt man den Alltag, die Probleme und Sorgen hinter sich. Viele Menschen sind einfach nur glücklich, sich mit gleichgesinnten Menschen in der freien Natur zu bewegen und zu unterhalten. Ich persönlich schätze solche Unterhaltungen sehr, komme ich da doch als professioneller Bergführer immer wieder mit Menschen auf einer Ebene ins Gespräch, wie man es im normalen Alltag niemals könnte.

Eisbouldern in Tibet
Die Grenzen der Freiheit, so sagt man, liegen dort, wo man durch seine Tätigkeit oder Äußerung andere Menschen eingrenzt, oder salopp formuliert, ihnen auf die Füße tritt.

Aufgrund zweier Unfälle im Mt. Blanc Gebiet haben nun die örtlichen Kommunalbehörden eine verpflichtende Ausrüstungsliste für Bergsteiger am Mt. Blanc erlassen. Dabei handelt es sich vordergründig um eine Maßnahme zur Erhöhung der Sicherheit am höchsten Berg der Alpen. Gleichzeitig selbstverständlich eine Bevormundung und damit massive Einschränkung  der persönlichen Freiheit. Manche - vor allem routinierte Bergsteiger - fordern da vehement einen Stopp der Reglementierung. Wo soll man die Grenze ziehen, welche behördlichen Auflagen wann sinnvoll erscheinen bzw. wann sie als Schikanen, Behörden Willkür und Einschränkungen aufgefasst werden?

Draussen sein, für viele Menschen bedeutet das Freiheit pur
Sollte aber am Berg jeder das Recht haben so unterwegs zu sein, wie er es eben für richtig hält und damit letztendlich weniger routinierte Bergsteiger das Recht haben, sich so umzubringen wie sie es selbst möchten.

Konsequenterweise wäre zweiteres eben der Preis für die Freiheit am Berg! Gleichzeitig ist ja auch von jedem Bergsteiger eine starke Eigenverantwortung gefragt. Schon Paul Preuss hat mit seinem Motto "Das Können ist des Dürfens Maß" eine Lanze für freies Bergsteigen unter entsprechender  Eigenverantwortung gebrochen.

Auch ich lehne solche behördlichen Maßregelungen beim Bergsteigen entschieden ab. Neben oben genannten Gründen denke ich auch noch an die Kontrolle solcher Regeln. Polizeiliche Kontrolle der Ausrüstung im Rucksack wäre wohl der absolute Horror des freien Bergsteigers. - Und wo würde man dann eine Grenze Ziehen? Bald würden dann noch staatliche Stellen entscheiden, wer welche Tour wann machen darf........

Ich kann mich also Kilian Journet nur bei seinem Protest gegen solche staatlichen Angriffe auf das Bergsteigen anschließen!

ABER, ich habe oben schon erwähnt, dass für das "Funktionieren" des Models "Freiheit" eine große Portion Selbstverantwortung notwendig ist. Das geht aber nur mit einer richtigen Selbsteinschätzung des Eigenkönnens bzw. entsprechender Erfahrung für die Tourenplanung. Häufig reicht es aus, schlicht und einfach seinen Hausverstand vernünftig einzusetzen.

Eines der beiden Opfer am Mt. Blanc, die das Handeln der Behörden in Frankreich auslösten, war ein "Trailrunner". Diese Sportart boomt in letzter Zeit immer mehr, wobei die Akteure in leichter Laufausrüstung auf Berge rennen. Das funktioniert bis in mittlere Höhen prächtig und bietet auch unglaublich tolle Erlebnisse.

Die Stars der Szene exerzieren aber da ganz andere Kaliber an Touren vor. Besagter Kilian Jornet läuft regelmäßig auf bzw. über den Mt. Blanc, ich konnte ihn live erleben, als er in einer unglaublichen Zeit den Aconcagua erlaufen hat. In der vergangenen Saison ist es ihm sogar geglückt innerhalb einer Woche zwei Mal auf den Mt. Everest zu laufen.
 hier der link zu seinem Protest gegen die "behördliche Ausrüstungsliste":

http://france3-regions.francetvinfo.fr/auvergne-rhone-alpes/haute-savoie/materiel-obligatoire-ascension-du-mont-blanc-humour-ravageur-du-trailer-kilian-jornet-1313383.html

Solche Ausnahmekönner und absolute Vollprofis sollte man sich aber ja n i c h t als Vorbild nehmen. Es ist eben ein riesen Unterschied, auf 4.500m am Dome de Gouter etwa, in Laufausrüstung völlig verschwitzt, in einen Wettersturz zu geraten, oder am gegenüberliegenden Grand Balcon, auf knapp 1.600m.

Aber selbst Profis wie Kilian Jornet und seine Partnerin Emelie Forsberg sind ja vor Fehleinschätzungen nicht gefeit. So musste er mit ihr vor einigen Jahren aus dem Frendo Pfeiler von der Bergrettung geborgen werden. Immerhin eine 1.200m lange kombinierte Westalpentour die auf der Aig. du Midi  auf rund 3.700m endet. Ein Wettersturz hatte die beiden überrascht, und sie waren mit ihrer besseren Laufausrüstung nicht entsprechend ausgerüstet.

Fehleinschätzungen und daraus resultierende Notsituationen wird man auch mit den strengsten Auflagen nicht verhindern können. Sportlicher Ehrgeiz ist nun mal auch ein wesentliches Merkmal der Bergsteiger. Daraus resultieren immer wieder Selbstüberschätzungen und falsche Tourenziele.

Gegensteuern kann man bei dieser Entwicklung niemals mit einer Flut an Gesetzen und Verordnungen, sondern nur mit einer fundierten Ausbildung  und dem aktivieren des gesunden Hausverstandes!




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