Mittwoch, 4. Februar 2015

Alpinhistorische Sensation in Patagonien


Rolando Garibotti, dem unumstrittenen Hausmeister des Gebietes um Cerro Torre und Fitz Roy,
gelang eine alpinhistorische Sensation!

Cerro Torre, Torre Egger, Torre Standhard und die Bifida von li nach re, Bild Walter Laserer

Man schrieb das Jahr 1959, als der Italiener Cesare Maestri gemeinsam mit dem aus Lienz stammenden Toni Egger den Cerro Torre als erster bestiegen haben will. Sechs lange Tage waren die beiden bei sich immer mehr verschlechterndem Wetter unterwegs. Schließlich begrub eine Eislawine Toni Egger am Fuße des Cerro Torre. Sein Körper wurde 15 Jahre später von einer englisch - amerikanischen Seilschaft (Mick Coffey, Ben Campbell, Brian Wyvill, John Bragg, Jim Donini) gefunden. Der Fund geschah dann also im  Jahr, 1974, als auf der Westseite Ferrari und Ragni mit Gefährten die Westwand und damit die erste dokumentierte Besteigung des Cerro Torre vollführten. Verschollen blieb allerdings bis heute die Fotokamera.

Cesare Maestri war mehr tot als lebendig, als er von seinem Kameraden Cesarino Fava am Gletscher gefunden wurde. Bis heute sind die Umstände des Unfalls von Toni Egger ungeklärt. Die Frage, ob die beiden letztendlich den Gipfel erreicht hätten, ist bis heute eigentlich offen.

Interessant ist, dass die Debatte über "Gipfel oder nicht Gipfel" fallweise, vor allem in Italien, extrem emotional geführt wurde und wird. Rein den Fakten nach gibt es heute in dem Bereich, in dem Maestri mit Egger auf dem Gipfel geklettert sein will, einige moderne extreme Routen. Kein Kletterer hat je oberhalb des ominösen dreieckigen Schneefeldes in der Ostwand igendwelche Spuren von 1959 entdeckt. Man fand Jahre später ein Depot mit Seilen, alten Haken und Karabinern, jedoch unweit des "dreieckigen Schneefeldes" in rund einem Drittel Wandhöhe.

Was hat nun Rolando Garibotti im Jänner 2015 gefunden? In detektivischer Manier ist es ihm gelungen, ein Foto, das Cesare Maestri in seinem Buch veröffenticht hatte, nach zu stellen. Man stelle sich das nur vor: ein Foto auf dem man einen Kletterer sieht, aber keinerlei Hintergrund, kein Gipfel oder Gletscher, einfach nur kombiniertes Felsgelände und einen relativ kleinen Kletterer drauf.

Maestris Buch: "Arrampicare e il mio mestiere", Mailand 1961, Archiv Garibotti


Wie gut, wie perfekt muss der Mann "seinen" Torre und die umliegenden Berge kennen, damit ihm so etwas gelingt? Der Beweis ist eindeutig, das Foto, welches Maestri von Egger gemacht hat, ist auf der Westseite der Torregruppe entstanden, also an einer völlig anderern Stelle, auf der anderen Seite der Berggruppe. Der Korrektheit halber möchte ich noch anmerken, dass Rolando bei seinen Recherchen nicht alleine war. Zwei Jahre früher hat er gemeinsam mit Ermanno Salvaterra in Maestres 1961 erschienen Buch, Arrampicare e il Mio Mestiere (Milano, Garzati, 1961),  ein Foto Toni Eggers entdeckt.

Salvaterra und Garibotti haben beide viele Routen im Gebiet des Cerro Torre erstbegangen und kennen daher das Gebiet tatsächlich wie ihre Westentasche. Ihnen war klar, dass das Bild Maestris nicht am Cerro Torre entstanden sein konnte. Die Frage war nur noch, wo war es dann entstanden?
Ein Jahr später motivierte Kelly Cordes  Garibotti die Angelegenheit doch intensiver weiter zu verfolgen. Mit Hilfe von Dörte Pietron, und nach der Durchsicht hunderter Fotos, gelang es schließlich, das Rätsel zu entschlüsseln.

Anmerkung: Rolando Garibotti hat gemeinsam mit Dörte Pietron einen fantastischen Kletterführer über das Gebiet des Cerro Torre und Fitz Roy verfasst, - mit traumhaften Bildern. "Patagonia vertical", im Sidarta Verlag erschienen.



li. Original von Maestri, rechts nachgestellt von Garibotti


der Beweis von Rolando Garibotti

An der Westseite des Cerro Torre war bereits 1958 Walter Bonatti mit Carlo Mauri unterwegs, auch sie wollten damals den Torre als Erste besteigen, blieben aber erfolglos. Von dieser Expedition wusste Cesare Maestri zweifellos. Vermutlich war ihm auch bekannt, dass die "schwächste Stelle" des Torre an seiner Westseite lag.

die Westseite des Col Standhardt, mit der von Egger/Maestri vermutlichen Route, bzw. Fotostandort

Was genau hat nun Rolandi Garibotti bewiesen:

1. das Foto im Buch Maestris entstand nicht am Cerro Torre, wie Maestri fälschlich behauptet  hatte.
    Maestri hat also nachweislich gelogen.

2. Maestri und Egger waren also auf der Westseite der Torregruppe. Offensichtlich haben sie die   Westseite des Berges versucht, warum sonst wären sie auf die andere Seite gequert? Niemand war vor ihnen an der Stelle in der Nähe des Col Standhardt, das Foto muss also von den Egger/Maestri gemacht worden sein.

3. da in den Tagebüchern und im Expeditionsverlauf keinerlei Tage sonst für eine Erkundung oder dergleichen vorgesehen waren, oder darüber berichtet wurde, waren sie offensichtlich während der "6-Tage Besteigung" auf der Westseite der Berggruppe. Während aber Maestri erklärte, sie wären an der Ost und Nordseite des Cerro Torres gewesen!

4. Offensichtlich wurde die Kamera nicht verloren, wie Maestri erklärte. Oder zumindest ein belichteter Film muss in Maestris Besitz sein.


1957 gelang Toni Egger gemeinsam mit Siegfried Jungmeir die Erstbesteigung eines wilden Berges in Peru. Jirishanka bedeutet übersetzt Kollibrischnabel, und genauso spitz und unnahbar schaut der Berg auch aus. Irgendwie hat die Ostseite des Jirishanka ein Ähnlichkeit mit der Westeite des Torres, die Schwierigkeiten sind jedenfalls ähnlich gelagert. Vorwiegend mixed Kletterei und etreme Eisformationen.

der Jirishanka von Westen 6064m, Peru

Ich habe selbst am Jirishanka (6 064 m) in der Cordillera Huyuash in Peru eine Erstbegehung gemacht. (Route Fly away, 1989 mit Heli Steinmassl, auch die Erstbefliegung mit Gleitschirm.)

Cerro Torre, Bild Walter Laserer
Gleitschirmstart aus über 6000 m Höhe, zwischen Süd und Nordgipfel des Jirishankas, über die Westwand, Bild: Steinmassl

Toni Egger hat den Jirishanka in Peru, vor der Expedition zum Cerro Torre, erstbegangen. Dies war sicher die herausragendste Leistung von Toni Egger. Die Westwand des Cerro Torre ist in ihrer Struktur dem Jirishanka sehr ähnlich und mit Sicherheit die "leichtere" Seite des Berges. Es ist also nahe liegend, dass Toni Egger  Maestri gedrängt hat, diese Seite zu versuchen, wie Rolando Garibotti mir in einem Email berichtete.

Aber warum hat Maestri gelogen?



Eine (meine) Theorie ist, dass er möglicherweise ein Absprache mit Sponsoren oder Alpen Club in Argentinien hatte. 1958 waren zwei italienische Teams am Torre und es ist im Vorfeld zu wilden Streitereien gekommen. Walter Bonatti und Carlo Mauri waren auf der Westseite der Torres unterwegs, Maestri mit den Detassis Brüdern an der Ostseite. Beide Teams wurden in Argentinien offiziell unterstützt. Es könnte doch eine Abmachung gegeben haben, dass die einen auf der Westseite bleiben und die andern an der Ostseite. Ein Jahr später, Bonatti war entgegen seinen Beteuerungen doch nicht mehr zum Torre gefahren, hat womöglich Toni Egger Cesare Maestri dazu bewogen, über den Col Standhardt auf die West Seite des Torres zu gelangen um die  – von den Schwierigkeiten her dem Jirishanka (von Egger vorher erstbegangen) ähnliche Westwand des Torres zu versuchen. Entgegen der offiziellen Abmachungen in Argentinien. Dann wäre Maestri gezwungen gewesen über die gewählte Route zu lügen……wie gesagt eine mögliche Theorie.
 


Die gesamte alpinhistorisch interessierte Szene wartet nun gespannt auf eine Reaktion von Cesare Maestri. Ist es nicht Zeit, endlich die Wahrheit zu erzählen? Zumal die Schwester von Toni Egger hoch betagt etwas ausserhalb von Lienz lebt, zumindest die Angehörigen sollten die Wahrheit über Tonis letzte Bergtour erfahren.

Was meint ihr zu dieser Geschichte?

hier noch der link zu Pataclimb, der perfekten Webseite zu allen Infos in Patagonien von Rolando Garibotti:
http://www.pataclimb.com/knowledge/puzzle.html

Ein excellentes Buch, super recherchiert über die Geschichte des Cerro Torres:


“Der unmögliche Berg” from Peter Meier-Hüsing im Piper Verlag 2007.

 








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