Freitag, 13. Januar 2017

Praktische Lawineneinschätzung durch Kompensationsmethode oder ein Plädoyer für Hausverstand und Eigenverantwortung



Praktische Lawineneinschätzung durch Kompensationsmethode
oder ein Plädoyer für Hausverstand und Eigenverantwortung, Teil 2

Wie in Teil 1 bereits beschrieben sind die heute gängigen Methoden zur Beurteilung der Lawinengefahr für Schneesportler ungenügend. Alle benötigen als Input den LLB, der aber laut eigener Auskunft der Ersteller in ca. 25 % der Fälle falsch ist. Daher kann auch das Ergebnis dieser Beurteilungsmethoden nicht wirklich zufriedenstellend sein. 


Ernstfall Lawine!


Die Forschung bzw. Wissenschaft versucht sich immer tiefer in die Materie Schnee und Lawinenkunde zu vergraben, wobei allerdings für den Praktiker, der draußen mit seinen Skiern unterwegs ist, keine Fortschritte zu bemerken sind. Eher im Gegenteil, je mehr man sich mit der Wissenschaft des Schnees und der Lawinen beschäftigt, umso komplexer, unübersichtlicher und unlösbarer wird das Problem der Einschätzung der Gefahr. Es handelt sich hier um ein gängiges Problem in der Wissenschaft, auch z. B. bei der Entwicklung der künstlichen Intelligenz. Je mehr „Daten“ man kreiert, umso länger und schlechter wird selbst mit den besten Computern der Welt das Ergebnis der berechneten Modelle. 

Wenn man zum Beispiel analysiert, wie viele Daten das menschliche Gehirn verarbeiten müsste, um nur auf einem unebenen Boden ohne zu schwanken gehen zu können, so kommt man bald an Grenzen.(Datenmenge, Berechnungszeit) Unser Gehirn „generalisiert“ (reduziert) die benötigten Daten, ähnlich wie wir es von der Erstellung von Landkarten kennen. Es werden nur die allernotwendigsten Basisdaten verarbeitet. Der Rest wird durch Adaption und Wiedererkennung von schon vorhandenen Mustern erarbeitet, also einer Form der Alltagsintuition.

Um nun in der Lawineneinschätzung weiter zu kommen, hilft nur ein radikales Umdenken. Wir benötigen eine Strategie, die völlig unabhängig vom aktuellen LLB funktioniert und die so einfach ist, dass wir draußen auf Tour zu einem befriedigenden Ergebnis kommen können. Also keine konkret - perfekte ja/nein Entscheidung, aber eine Einschätzung der Gefahr, die ein bestmögliches Ergebnis liefert. Dabei nehmen wir bewusst in Kauf, dass es eben ein gewisses Quantum Restrisiko immer geben wird. – Das ist ja auch mit den besten Rechenmethoden nicht aus zu schließen, und es liegt in der Natur von jeder „Schätzung“

In der Entscheidungstheorie gibt es ein Verfahren, das bei komplexen Problemen bestmögliche Ergebnisse liefert. Vor allem wenn wenig konkrete Daten für eine eindeutige Entscheidung zur Verfügung stehen. Dabei handelt es sich um die „Weniger ist Mehr“, bzw. „Take the best“ Methode. Dabei wird bei einem Problem der Input an Daten drastisch reduziert. Man arbeitet nur noch mit den wesentlichen, nach einer Einschätzung am wichtigsten für das Problem relevanten Daten. Alles Andere wird einfach weg gelassen.
Unbeschwerter Tiefschnee Genuß


Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass bei einer Vielzahl an komplexen Problemstellungen, diese stark vereinfachten Schätzmethoden ein ausgezeichnetes Ergebnis liefern. Vor allem bei Prognosen, also Aussagen über Problemstellungen in der Zukunft. Ergebnisse aus der Vergangenheit können mit exakten Daten genauer berechnet werden.
Genau diese Problemstellung haben wir bei der Gefahrenprognose der Lawinen. Wir sollen ohne exakte Daten mit einer Fülle von Parametern für die Zukunft ein möglichst genaues Ergebnis für die Einschätzung  der Lawinengefahr finden.
„Weniger ist also Mehr“
Wissenschaftlich untersucht wurde diese Methode am Beispiel des Problems von der Entwicklung von Aktien oder etwa der Wahl der richtigen Schule für ein Kind. Bei der hier vorgestellten Methode handelt es sich um eine modifizierte Anwendung der Intuition. Wie ich in Teil 1 bereits angemerkt habe, ist Intuition alleine kaum eine Möglichkeit, um die Lawinengefahr gut einschätzen zu können.
Die Frage war also, gibt es eine Möglichkeit, ein vereinfachtes Verfahren, dass die Intuition so verbessert, dass man damit auch im Gelände arbeiten kann?
Ich wurde dabei bei Gerd Gigerenzers fündig. In seinem Buch „Bauchentscheidungen“ beschreibt er eine Methode, wie Ärzte in Amerika die Diagnose für eine Herzerkrankung drastisch verbessern konnten. Dabei wurde auf „Weniger ist Mehr“ zurück gegriffen und ein „effizienter Entscheidungsbaum“ speziell für dieses Problem entwickelt.
Ich habe dieses System nun auch auf die Lawinenprognose angewendet.

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