Sonntag, 10. Juni 2018

Neuerlicher Speedrekord an der "Nose" im Yosemite oder wie sinnlos ist Rekordbergsteigen

Es ist vollbracht - ich meine, es ist bewiesen. Es ist möglich, eine der bekanntesten Kletterrouten der Welt, die Nose am El Capitan im kalifornischen Yosemite, in weniger als zwei Stunden zu klettern. Was für eine Leistung! Zwei der derzeit absolut besten Kletterer der Welt fanden sich zu einem Team und arbeiteten seit Monaten auf den Rekord hin.
Tommy Caldwell - bekannt für seine freie Begehung der Dawn Wall am El Cap, der damit schwersten Mehrseillängen-Route der Welt, und Alex Honnold, bekannt für seine spektakulären Solos - unter vielen anderen Routen kletterte er auch die Route Freerider am El Cap free solo!
die "Nose" verläuft entlang der Licht- Schattengrenze

Wir benötigten bei meiner ersten Begehung einer Route am El Cap, vor rund 30 Jahren, noch gute drei Tage für die 1000m steilen Granit, der Erstbegeher Warren Harding noch um die 40 Tage. In den 70er Jahren waren es John Long, Jim Bridwell und Billy Westbay die als erste nur einen Tag für diese legendäre Route benötigten.

Ein weiterer Meilenstein gelang der kleinen, zierlichen Lynn Hill. Die New Yorkerin kletterte als erster Mensch in freier Kletterei, also ohne sich an irgendeinen Sicherungspunkt zu halten, durch die spektakuläre Linie, welche die Südost- von der Südwestwand dieses riesigen Berges trennt.
"klassisches Big Wall klettern"

Am 4. 10 2007 kletterten die beiden Brüder Alexander und Thomas Huber noch in zwei Stunden und 45 Minuten durch die Riesenwand. In nur rund zehn Jahren wurde ihr Rekord also noch um fast ein Drittel unterboten.

Jetzt stellt sich für mich schon die Frage - wie sinnvoll findet man als Beobachter der Szene solche Rekorde beim Bergsteigen?

Einer der den Rekord an der Nose sicherlich am öftesten innehatte, der Kalifornier Hanns Florine, hat sich bei einem spektakulären Sturz während eines Speedversuches vor einigen Wochen beide Beine gebrochen. Zwei weitere, als sehr erfahren geltende "Bigwall Kletterer" (100 + Big Walls) starben bei einem Seilschaftsflug während eines Speedversuches in der Route "Salathe" vor einigen Tagen.

Haulbag schleppen wird beim "Speed Climbing" vermieden.....

Wie funktioniert nun so ein "Speed Bigwall"? Die beiden Kletterer sind nach wie vor durch ein Kletterseil verbunden. In den leichteren Passagen wird einfach gleichzeitig geklettert; das nennt man dann "simultan climbing". Ein möglicher "Abflug" beider Kletterer wird dabei nur durch die (wenigen) Zwischensicherungen (Keile o.ä.) gesichert. Wird das Gelände schwieriger, arbeiten die Akteure mit dem sogenannten "short fixing". Dabei wird das Seil am Standplatz mit einer Klemme (T-Block) fixiert und der Seil-Zweite kann also am fixierten Seil nachjümarn. Der Seil-Erste knüpft sich eine große Schlaufe des Seiles und fixiert das Ende an seinem Gurt. Gesichert ist er dabei nur durch das Gewicht des Seilzweiten an der zweiten "Seilhälfte". Fällt der erste, kommt es zu enorm weiten Stürzen und somit steigt das Risiko, sich zu verletzen.

In Summe ist so ein "Speed Bigwall" also noch gefährlicher, als "free solo" klettern. Denn wenn beim "simultan climbing" einer fällt, reisst er den Anderen notgedrungen mit.

Für mich persönlich kommt so ein Kletterstil niemals in Frage. Selbstverständlich ist es dem jeweiligen Kletterer überlassen, wieviel Risiko er nimmt.

Aber.....

Meiner Meinung nach sollte man aber so in die Berge gehen, dass man gesund wieder nach Hause kommt. Die Gefahren in der freien Natur sind sowieso schon groß genug für das eine oder andere unvorbereitete Abenteuer. Solche spektakuläre Speedaktionen bieten irgendwo die Gefahr, dass sich nicht nur die Akteure selbst gefährden, sondern auch der eine oder ander Jugendliche Kletterer zur Nachahmung verlockt wird.

Auf der anderen Seite lebt das Bergsteigen natürlich auch durch die Suche und Lösung von scheinbar Unmöglichem.

Viele alpine Abenteuer wären ohne entsprechender Geschwindigkeit wiederum viel gefährlicher. Ich denke da etwa an eine Durchsteigung der klassischen Eiger N-Wand. Es ist selbstverständlich ein Unterschied, ob man auf der rund 3,5 km langen Kletterstrecke 3 - 4 Tage oder 1 oder 2 Tage unterwegs ist. Viele Stellen sind da stark dem Steinschlag ausgesetzt und auch das Risiko in einen Wettersturz zu geraten ist bei längeren Begehungszeiten natürlich viel größer. Wie so oft stellt sich  auch bei der Geschwindigkeit in der eine Klettertour absolviert wird die Frage nach der Grenze, wo das Ganze dann auf Kosten der Sicherungstechnik geht.

Ist also jemand der einfach ein unglaubiches Risiko nimmt, ein "besserer Kletterer"?

1 Kommentar:

  1. Den Rekord von Lynn Hill fand ich super, weil es das natürliche Ziel ist eine solche Route frei zu klettern und nicht technisch. Auch dass sie später noch die erste freie Begehung an einem Tag draufgesetzt hat war logisch. Aber was soll der Sinn dieser Speed-Kletterei sein? Ich fand den Huberbuam-Film zwar spektakulär, aber technisch-esthetisch weiß ich nicht was dieses technische Speedklettern soll. Wenn man das Zeug hat so eine Route frei zu klettern, sollte doch das das Ziel sein und nicht technisch so schnell wie möglich hochzurasen, bei potenziertem Risiko. Irgendwie wertet das den Felsen zu einem reinem Klettergerüst ab. Und jeder Tod durch Speedklettern ist noch sinnloser als schicksalhafte Bergtode trotz bester Vorbereitung und Sicherung. Ich halte zwar auch nicht viel vom Solo-Klettern, aber das ist zumindest esthetisch, und mental sicherlich die härteste Herausforderung der man sich stellen kann. Und man reißt nicht noch eine zweite Person mit ins Verderben, wenn es schief geht.

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