Sonntag, 22. November 2015

Talung, 7 349 m - ein Abenteuer der Superlative

Talung, 7 349 m - ein Abenteuer der Superlative

während Uelli Steck wiedereinmal einen neuen Reckord in der Eiger Nordwand lief, fanden zwei unbekannte Bergsteiger aus der Ukraine ein grandioses Abenteuer an einem 7000 er.

Mikhail Fomin, Nikita Balabanov (Ukraine) von 18. bis 23. Oktober 2015
Erstbegehung von Daddy Magnum Force
Kletterlänge 2350 m, M6, AI6, A3 über die ganze Route ED2


Die Route mit den Camps
  

Ich bin etwas sprachlos. Tatsächlich sind dieser Tage die alpinen Medien voll von einem relativ fantasielosem neuen Speed Rekord am Eiger. Uelli Steck hat in sich zurück geholt. Bei perfekten Verhältnissen ist er halt um einige Minuten schneller als jemand anderer durch seine "Heimatwand" gerannt. Zweifellos eine großartige Athletische Leistung. 

Nikita Balabanov und Mikhail Fomin, aus der Ukraine

Gleichzeitig machen zwei Bergsteiger aus der Ukraine eine Erstbegehung auf einen unbekannten 7000 er in Nepal und lösen damit eines der letzten großen  Probleme im Himalajabergsteigen. Warum nur berichten unsere "Bergleitmedien" mehr von einem etablierten Wettlaufen auf einer mehrfach abgedroschenen Route?

Ich habe mir die Mühe gemacht, und Nikita Balabanov aus der Ukraine kontaktiert, um Informationen aus erster Hand zu bekommen: 

Ursprünglich wollten die beiden Ukrainer ein Ziel im indischen Himalaja ansteuern. Aufgrund der Bürokratie entschlossen sie sich kurzerhand in das vom Erdbeben kaum betroffene Ostnepal aus zu weichen. In der Gegend des Kantsch Massives, im Schatten des dritthöchsten Berges der Welt, dem Kangchenjunga (8586m) und des mächtigen, bekannten Jannu fanden sie ein lohnendes Ziel - den Talung, 7349m.

Den wunderschönen und objektiv sicheren NNW Pfeiler hatten schon viele starke Bergsteiger in den vergangenen Jahren versucht. Die ersten Versuche gehen bis ins Jahr 2004 zurück. Die beiden Tschechen Marek Holecek und Zdenek Hruby versuchten es dann nach einem gescheiterten Versuch durch Engländer im Herbst 2012 nocheinmal. 2014 waren noch starke Italiener in Nepal, um diese logische Linie zu versuchen. 

Für mich ist es sehr interessant, welche Taktik die beiden Ukrainer angewendet haben. Nach einem ungemütlichen Trekking mit der bekannten Blutegelplage in niedrigen Teilen Nepals, erreichten sie ihr Basislager. Die folgenden 2 Wochen verbrachten sie mit sorgfältigen Akklimatisationstouren und Erkundungen. 
So bestiegen sie den Boko Peak, 6 143m und biwakierten am Gipfel. Weiters erkundeten sie noch den geplanten Abstieg des Talung über die Westseite. Sie kletterten bis auf 7 100 m und biwakierten auch dort.

Nach 3 Rasttagen während einer Schlechtwetterperiode fühlten sie sich bereit für ihre Tour. Verpflegung für 7 Tage und Gasvorräte für sogar 9 Tage wurden mitgenommen. 

Durch die sorgfältige Erkundung war den beiden bekannt, dass die Route im unteren Teil sicher extrem schwierig werden würde. Gleichzeitig gab es aber auch eine große Unbekannte mit der zweiten Felszone relativ weit oben. Irgendwie konnte man die Schwierigkeiten mit Mixedlinien in Chamonix vergleichen - aber mit dem Unterschied, Gepäck für eine Woche im Rucksack und das ganze auf einer Höhe zwischen 5600m und 7349 m!! - die Zutaten für richtiges, großes Abenteuer eben!!
der Eiskamin in der ersten SL


Kletterer in der 1. SL

Die erste SL startet mit einem kleinen Eispfeiler über den Bergschrund, nach einem Spreitzschritt geht es an der Hauptwand mit M6 weiter. Nach ca. 10 Metern A3 Gelände mit zu dünnen Rissen für die Hauen der Eisgeräte (iron hawks und Normalhaken) geht es mit kaum Sicherungsmöglickeiten über Eisglasur an glatten Felsplatten zu einem Schlingenstand im Kamin.

Den beiden Ukrainern war klar, dass es in den nächsten Tagen hart werden würde, da die Route von der Erkundung her nirgends leicht aussah. Die nächsten drei Tage verbrachte die beiden mit klettern im Bereich von M 5 bis M 6, wobei aufgrund des geschlossenen Felses die Sicherungsmöglichkeiten sehr spärlich waren, also lange runouts mit schwerem Gepäck in großer Höhe!

Das Gelände war jedoch so beschaffen, dass es möglich war mit einer rund 2 stündigen Arbeit jeden Tag einen kleinen Absatz aus dem Eis für ein kleines BD Firstlight Zelt zu hauen.

im mittleren Wandteil
Am dritten Tag erreichten die beiden eine rund 100 m lange Verschneidung, kaum Eis dafür aber brüchig und schwierig zum Absichern. Erneut waren einige Meter in künstlicher Kletterei A3 notwendig. Danach erreichten sie den etwas leichteren Mittelteil des Pfeilers. Zumeist war nun Eis und Schneekletterei gefragt, einige Seillängen M 4.  Manchmal konnten sie hier sogar simultan klettern.





Am fünften Tag erreichten die Ukrainer das zweite Felsband. Nach einigen mixed SL und dünnem Eis auf Felsplatten kamen sie zur Rampe die in Richtung Gipfel führte. Hier konnten sie wiederum eine Plattform fürs Zelt bauen.


Gipfel des Talzung 7349m

Um 2 Uhr Nachmittags am 23. Oktober erreichten Balabanov und Fobin schließlich den Gipfel mit einer fantastischen Aussicht auf Kantsch und Jannu-.



Nach einigen Foto und Filmaufnahmen und dem obligatorischen Schokoriegel machten sie sich an den Abstieg über die Westflanke des Berges. Nach einem weiteren Biwak auf 6700m erreichten sie dann den Gletscher und bald danach ihr Basislager.

In Summe haben die beiden so zwischen 10 und 15 kg an Gewicht verloren und wiederum einiges an Erfahrung dazu gelernt, am Ende hat sich all die Mühe aber trotzdem gelohnt. 

Diese Besteigung ist für mich sicherlich eine der hausragendsten Leistungen im Bergsport in diesem Jahr, wenn nicht überhaupt. Eine derart schwierige Route, zu zweit an einem entlegenen Himalja 7000 er, das ist, wie am Anfang erwähnt, sicher eine größere Leistung als der x te speed Rekord am Eiger.


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