Sonntag, 11. Januar 2015

Was hat das Matterhorn mit dem Mt. Everest gemeinsam?

das Matterhorn an einem Herbsttag vom Gornergrat 

Der Mt. Everest von Südwesten

Was hat das Matterhorn mit dem Mt. Everest gemeinsam?

Vermutlich sind diese beiden Berge - eventuell noch gemeinsam mit dem Eiger - die berühmtesten Berge der Welt. Offenbar ist es bei den Bergen ähnlich wie bei berühmten Menschen - der hohe Bekanntheitsgrad ist ein Segen und gleichzeitig, fallweise vielleicht sogar öfters, ein Fluch. Können berühmte Menschen nicht mehr normal auf die Straße gehen ohne irgendwie belästigt zu werden, oder gar ins Kino oder in die Oper, so sind die berühmten Berge auch irgendwie ein "Opfer" der "Massen".
Berühmte Menschen suchen sich ihr Schicksal irgendwie selbst aus, aber die Berge werden durch eine gewisse Industrie oder Medien, und damit von uns Menschen in ihre Rolle gedrängt.  Interessanterweise führt der Mt. Everest diesbezüglich Jahr für Jahr die "Hitliste" des Massenansturms und der überzogenen "Aktionen" für noch mehr Aufmerksamkeit mit großer Überlegenheit an.

Menschen sind Sammler. Heute sammeln viele körperlich aktive Menschen etwa verschiedene Marathonläufe in verschiedenen Metropolen, oder nehmen an diversen Radmarathon-Rennen teil. Bergsteiger haben eigentlich immer schon "Gipfel" gesammelt. Selbstverständlich gehören die bekanntesten Gipfel in so eine Sammlung. Mit der Zunahme der Zahl der Bergsteiger führt diese Entwicklung selbstverständlich wieder zu Problemen. Zu bestimmten Zeiten kann man auf die bekanntesten Gipfel der Alpen praktisch nicht mehr hinaufklettern, ohne im Stau zu stehen bzw. einer starken Erhöhung des Gefahrenpotentials durch diverse "Begegnungsgefechte" mit unroutinierten Bergsteigern an exponierten Stellen.

Das hat dazu geführt, dass zum Beispiel ein wesentlicher Bereich der modernen Profi-Bergführerarbeit auch das "Timing" bei bestimmten Touren ist.

Auf den Mt. Blanc Normalweg brauchst du heute im August nicht mehr hinfahren. Neben den allseits bekannten Effekten des wärmeren Wetters, kämpft man mit rund 350 Mitstreitern pro Tag auf dem exponierten Gipfelgrat. Am Matterhorn ist die Situation durch die wesentlich höhere technische Schwierigkeit ungleich gefährlicher. Zwischen 2500 und 3000 Menschen pro Jahr klettern im brüchigen Gelände des Hörnligrates ihrem persönlichen Traumziel entgegen. Die alte Hörnlihütte hatte 170 Schlafplätze und war praktisch den ganzen Sommer bei schönem Wetter ausgebucht. Die neue Hütte, die 2015 eröffnet wird, hat dann "nur" noch 130 Schlafplätze. Rund 100 Bergsteiger werden pro Jahr von der Air Zermatt mit dem Helikopter gerettet und durchschnittlich 8 bis 10 Bergsteiger sterben im Jahr am Matterhorn.

Angesichts dieser Zahlen muten die 350 Bergsteiger pro Jahr am Mt. Everest eigentlich fast bescheiden an.

Wie schaut es nun mit der "krampfartigen Vermarktung" aus? Die Hitliste führt da sicherlich der Mt. Everest an. Der erste Tweet vom Gipfel mit einem Samsung Handy, das erste Ehepaar am Gipfel, der älteste Mensch, der jüngste Mensch, Einbeinige, Leute ohne Hände oder gar Blinde. Und ich war der erste mit frisch geschnittenen Zehennägeln am Gipfel. Eine wichtige "Zutat" für diese Vermarktungs- bzw. Sponsorgeschichten ist sicherlich in der hohen finanziellen Belastung einer Expedition zum höchsten Berg der Welt zu suchen. Da versucht natürlich jeder irgendwie die hohen Kosten wieder "hereinzuspielen". Ist das nun ein Grund, solche "Aktionen" anzuprangern? Oder ist es völlig legitim, in einer Gesellschaft, die, sozial vernetzt, jedes gehaltene Mittagsschläfchen seinen virtuellen "Freunden" kund tut?

Mit dem Bekanntheitsgrad dieser Berge läßt sich im Internet-Zeitalter der PR-Wert einer Marke oder einer "Aktion" natürlich multiplizieren. Der erste Samsung Tweet vom "Buxtehudekogel"etwa, würde keinen Menschen interessieren.

Im Jahr 2014 veranstaltete der Virgin Konzern eine Art "Fund Raising Rally" von London zum Matterhorn, die sogenannte "Strive Challenge".
Zuerst wurden ein paar Marathons gerannt, danach über den Kanal gerudert. Die Strecke von Belgien in die Schweizer Berge mit dem Rad zurück gelegt, anschließend entlang der Haute Route zum Matterhorn gewandert und dieses schließlich naürlich auch bestiegen. Fraglos eine wirklich sportliche Herausforderung, wobei der Zweck der ganzen Aktion Fund Raising, also Spendensammeln für einen guten Zweck sein sollte.
Mit dabei im Team war der Sohn des bekannten Virgin Konzerngründers Richard Branson. So weit so gut. Die Besteigung des Matterhorns mit Unterstützung  von Bergführern ging bei perfektem Wetter relativ problemlos über die Bühne.
Bis - ja bis rund 200 m unter dem Gipfel - Sam Branson "plötzlich" höhenkrank wurde. Medienwirksam spuckte er ein paar mal in den Schnee und wurde dann, nachdem er "schwer höhenkrank" noch 200 m bis zum Gipfel aufgestiegen war, von diesem mit einem Helikopter evakuiert. Während sein Vater im privaten Helikopter das Matterhorn umkreisend alles beobachten und filmen konnte, lief eine spektatkuläre Windenbergung des Sohnes. Natürlich wurde in sämtlichen Medien darüber berichtet, besonders im Boulvard.
Natürlich nicht immer positiv, sogar eher sehr kritisch. Sollte Sam Branson wirklich so schwer höhenkrank gewesen sein, so hätte ihn die Air Zermatt ohne Probleme von Ort und Stelle bergen können. Der Hauptvorwurf zwischen den Zeilen war also der einer simulierten Höhenkrankheit und eigentlich unnötigen Bergungsaktion zum PR-Zwecke. Sollte dem so sein, so wäre das ein eklatanter Missbrauch ethischer Grundsätze beim Bergsteigen. Die Air Zermatt hatte praktisch zur selben Zeit einen wirklichen Bergunfall zu betreuen, hatte durch diesen "fingierten" Zwischenfall also einen stark erhöhten Stress. Bruno Jelk, der erfahrene Chef der Zermatter Bergrettung, leitete die Rettung und musste danach sofort zu dem weiteren Notfall. 

https://www.strivechallenge.com/the-route/

http://www.blick.ch/news/schweiz/bruno-jelk-rettete-das-milliardaers-soehnchen-auf-bransons-route-waere-ein-abstieg-kein-problem-id3106781.html

http://www.beobachter.ch/fileadmin/dateien/pdf/Infografiken/Fokus_Matterhorn_N_07-12.pdf

Mir stellen sich einige diskussionswürdige Fragen:

Wie weit darf PR gehen? Sind zum Zwecke der Erhöhung des Bekannheitsgrades für eine Charity Fund Raising Aktion, also für einen "guten Zweck", alle Mittel erlaubt? Oder gelten selbstverständlich auch hier ethische Grundsätze bzw. Grenzen?

Warum ist der Mt. Everest mit vergleichsweise eher harmlosen "Aktionen" ständig in den Medien?

Wie ist das dann mit unnötigen "Notfällen" überforderter Bergsteiger, die sich abgesichert mit  der AV Versicherung wegen Kleinigkeiten mit dem Hubschrauber retten lassen?




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