Mittwoch, 16. Mai 2018

Sind Tourismus und traditionelles Bergsteigen tatsächlich verschieden? wie Reinhold Messner in der Himalayan Times meinte

Reinhold Messner gab vor kurzem der Himalayan Times in Kathmandu ein beachtenswertes Interview.

Sinngemäß betonte er darin einen Unterschied zwischen Tourismus und dem traditionellen Bergsteigen. Mit dieser Bemerkung spielte er auf das sogenannte Expeditionsbergsteigen auf den Normalwegen der Achttausender - insbesondere am Mt. Everest - an. Weiters meinte er, dass er im Gegensatz zu früher nichts gegen Tourismus hätte, da dieser doch ein wichtiger Wirtschaftszweig in dem kleinen Himalajastaat sei.

Sonnenaufgang am höchsten Punkt der Erde

Ich finde, dass es sich da doch um eine relativ bemerkenswerte Aussage handelt. Wenn man das Interview genau betrachtet, so unterscheidet Messner also zwischen "traditionellem Bergsteigen" und Tourismus.

Um über diese Fakten sinnvoll diskutieren zu können, müssen wir mal definieren, was "traditionelles Bergsteigen" überhaupt sein soll. So wie ich das auffasse, meint Messner damit jene Art und Weise, wie er selber den Großteil seiner Touren absolviert hat. Eigentlich ein ziemlich elitärer Stil. Wobei es häufig um Erstbegehungen geht, oder sonstwie um das Aufstellen irgendwelcher Rekorde oder "firsts".

Nun, ich finde es eigentlich ziemlich arrogant, den eigenen Stil wie man Bergsteigen betreibt, als das "allgemein Gültige" zu definieren. Nach meiner Meinung hat sich Bergsteigen immer in verschiedene Richtungen entwickelt, wiewohl manche Richtungen später als gewisse Sackgasse erschienen. Obwohl - wenn man das technische Klettern der 50er und 60er Jahre des letzten Jahrhunderts anschaut, so hat es sich auch im modernen Big Wall Klettern sehr wohl weiterentwickelt. Ich denke da nur an so manchen A5 new wave "Hammer" etwa im Yosemite am El Capitan.

Aber gilt nur das "Aufstellen alpiner Rekorde" als richtiges Bergsteigen? Bin ich erst ein richtiger Bergsteiger, wenn ich schneller als z.B. Ueli Steck durch die Eiger Nordwand rennen kann?

Gilt im Gegensatz dazu dann das Bergsteigen, so wie es eben viele tausende Menschen betreiben, als "Tourismus"? Wie definieren wir Tourismus? Urlauber-Massen in Venedig bzw. in den letzten Jahren im "Venedig des Gebirges" - in Hallstatt? Sind Bergreisen - auch zu elitären Zielen mit kleinen Teams nicht auch eine Form von Tourismus?

Also irgendwie hinkt der Vergleich. Ist jemand der die Streif auf glatt gehobelter Piste im "Schuss" anlässlich eines Skirennens hinunter rast ein Skifahrer bzw. einer der die "nicht gesperrte Piste" mit  hunderten Anderen hinunter kurvt dann kein Skifahrer, sondern ein Tourist? Sorry, Reinhold bei Deiner Argumentation kann ich nicht mit.
Basislager Mt. Everest in Nepal

Selbstverständlich hat der größte Klettersteig der Welt - der, auf den Mt. Everest - mitsamt seinem mittlerweile nahezu unerträglich gewordenen Zirkus nicht (mehr) viel gemeinsam mit dem Bergsteigen auf einen einsamen Gipfel fernab jeglicher Zivilisation. Trotzdem ist beides Berge besteigen, also Bergsteigen.


In einer Sache möchte ich Reinhold Messner allerdings zustimmen: Niemand würde zum Beispiel Teilnehmer an einem olympischen Marathon mit einem Hobbyläufer unter Tausenden anlässlich eines "City-Marathons" in einen Topf werfen. Obwohl beide eine genau definierte Strecke unter zumindest ähnlichen Bedingungen laufen. Beim Bergsteigen wird das "Gerät"  - besser - der "Berg" angepasst, also Pisten zum Gipfel errichtet. Und viele der Bergsteiger gebärden sich dann so, als wären sie auf diesen Pisten tatsächlich wie ein "Rekord-Bergsteiger" unterwegs auf einer alpinen "Heldentat".

Alle, ob jetzt Rekord-Bergsteiger oder touristischer Bergsteiger, haben natürlich ihre Daseinsberechtigung. Beide Richtungen des Bergsteigens bieten ihren Portagonisten wunderbare Spielplätze. Man sollte sich in der Ausübung allerdings immer des Unterschiedes bewusst sein.

Ich denke aber, dass es Reinhold Messner mit seinem Interview um ganz etwas anderes als um schnöde Begriffs-Definitionen ging - und auch geht.

Gerade in diesen Tagen sind wieder hunderte Bergsteiger mit ihren Sherpas am Mt. Everest unterwegs zum Gipfel. Für mich ist nicht die Anzahl der Bergsteiger bedenklich. Da haben wir in den Alpen am Mt. Blanc oder am Matterhorn bzw. am Großglockner ganz andere Probleme zu bewältigen.

Vor einigen Jahren konnte ich selber als Bergführer den Mt. Everest drei Mal besteigen. Schon damals war der "Zirkus" um die sogenannten "Expeditionen" grenzwertig, ja für mich gerade noch akzeptabel.

Wenn ich mir hingegen den Trend der modernen jüngsten Entwicklungen um die "Newcomer" am "Everest-Markt" anschaue, so finde ich dies schon bedenklich. Der eine Touristiker bietet komfortable Zwei-Zimmer-Zelte pro Person im Basislager an, der andere hat Sauna und Wohnzimmer inklusive. Ich für meinen Teil finde jedoch, dass Bergsteigen sehr wohl mit einem gewissen Komfortverzicht und Abenteuergeist, dem sprichwörtlichen "Draussen sein" zu tun haben sollte.

Bereits in den Ostalpen ist der Trend Berghütten zu komfortablen "Alpin-Hotels" mit Komfortzimmer und  Sauna umzubauen zu beobachten. Im Gegensatz dazu sind die meisten Hütten in den Westalpen noch "richtige, einfache Berghütten"geblieben.

Wie bei vielem Anderen ist also das große Problem wo man die Grenze zieht. Ist es noch vertretbar den Mt. Everest mit Sauerstoff  zu besteigen, aber nicht mehr, wenn ich ab dem Basislager mit 8 Liter O2 pro Minute unterwegs bin? Das reduziert den höchsten Berg der Welt dann tatsächlich in die Gegend eines einfachen 6000ers. Oder sollte man die O2-Benützung nur in der Todeszone mit max. 3 oder 4 Litern pro Minute begrenzen? Sollte man überhaupt Regeln für das Bergsteigen aufstellen? Oder sollte jeder so auf Berge steigen wie er eben möchte?

Ab welcher Höhe und mit wieviel Liter O2 ist eine Besteigung des Mt. Everst noch sinnvoll?

Wohin führt diese Entwicklung wenn man weiter in die Zukunft denkt? Wenn ich mir den Mt. Everest heute anschaue, bin ich tatsächlich etwas traurig, dass ich selbst Teil dieser Entwicklung gewesen bin.





1 Kommentar:

  1. in meinem Artikel geht es nicht für oder gegen irgendwelche Everestveranstalter. Es geht viel mehr um die Frage, sind Teilnehmer kommerzieller Expeditionen Bergsteiger oder Touristen. Oder sind auch extreme Profibergsteiger, die Rekorde aufstellen, eine Form des Toursimus. Weiters macht mich persönlich die Entwicklung zu immmer mehr Luxus auf diesen kommerziellen Expeditionen eben nachdenklich.

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